Vereinsrecht: Gender ohne Ende?

Ach ja, früher traf man sich einfach, fand, es sei Zeit, sich zu organisieren, und schwupps: schon stand der Verein. Heute geht es kaum ohne Rechtsanwälte, und selbst bei denen hat sich noch nicht allseits herumgesprochen, dass es z.B. eine Mustersatzung gibt, die, sehr deutsch, in Anhang 1 zu § 60 Abgabenordnung (AO) alles im einzelnen regelt, was zwingend in der Satzung vorkommen muss. § 60 Abs. 1 S. 2 AO befindet:

“Die Satzung muss die in der Anlage 1 bezeichneten Festlegungen enthalten.”

Sie wissen, was dies heißt:

“Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke…”. “Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.”

Solche Sätze halt. Die müssen nun mal rein. Fehlt in Ihrer Satzung etwa das Wort “ausschließlich” oder schreiben Sie, weil dies schöner klingt: “Der Verein verfolgt keine eigenwirtschaftlichen Zwecke”, werden Sie aller Voraussicht nach Ihre Gründungsprozedur wiederholen müssen, wenn Ihnen Ihre Gemeinnützigkeit lieb ist und der Rechtspfleger beim Vereinsregister dies so dekretiert. Es soll Vereine geben, die hier ein Jahr verloren haben.

Neuerdings rückt zudem das Problem “Wen nehmen wir eigentlich auf?” in den Fokus. Normal kein Problem bei uns, werden Sie sagen, aber was ist, wenn eine Kegelschwester jetzt sofort partout ihren Ehegatten mitbringen will? Was tut ein Männergesangverein, der laut Satzung eben nur aus Männern besteht? Über ein Gender-Problem der besonderen Art berichtete jetzt die “Welt”: “Im Ruderinnen-Club dürfen Männer nicht rudern”. Dem Hamburger Ruderinnen-Club drohte die Gemeinnützigkeit aberkannt zu werden, weil er keine Männer aufnimmt.

Sie erinnern sich vielleicht: Der Bundesfinanzhof hatte 2017 entschieden, dass ein Verein, der andere aufgrund des Geschlechts ausschließt, nicht gemeinnützig sein kann (Urt. v. 17.05.2017, Az. V R 52/15). Voraussetzung für Gemeinnützigkeit sei die Förderung der Allgemeinheit, § 52 Abs. 1 AO. Hier nahm eine Freimaurerloge keine Frauen auf. Wenn ein Verein aber Personen anderen Geschlechts kategorisch ablehne, wolle er diesen Teil der Allgemeinheit auch nicht fördern, womit ein wichtiges Kriterium für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit nicht mehr erfüllt sei.

Die Ruderinnen aus Hamburg waren baff, als das Finanzamt auf den Plan trat: ihnen ging es nicht um Diskriminierung, sondern um Traditionspflege: seit 1925 gibt es den Verein, er habe immer nur Frauen aufgenommen.

Man fand aber eine sehr hanseatische Lösung, die aber durchaus Schule machen könnte:

„Ein Verein muss seinen eigentlichen Vereinszweck – in dem konkreten Fall das Rudern – nicht zwingend gleichwertig für alle Mitglieder gewährleisten und dafür auch keine entsprechende Infrastruktur bieten“,

teilte die Behörde mit:

„Das Recht auf Mitgliedschaft ist nicht gleichbedeutend mit dem Anrecht auf identische Tätigkeit.“

Auf Deutsch heißt dies: der Verein muss nunmehr Männer aufnehmen, darf das Rudern aber den Ruderinnen vorbehalten.

Ob eine solche Lösung wohl auch für die Freimaurer in Frage kam? Recht geht manchmal komische Wege.

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Datum: Mittwoch, 17. April 2019 14:37
Allgemein

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