Mietrecht: Dürfen gewerbliche Mieter, die coronabedingt ihr Unternehmen schließen mußten, deshalb ihre Mieter mindern?

von Christian Sitter

Jedes sog. Dauerschuldverhältnis hat in der Pandemie so seine eigenen Probleme. Darf das Fitnessstudio die Mitgliedschaft seines Kunden um die Dauer des Lockdowns verlängern? Muss der Vereinsbeitrag bezahlt werden, obwohl die Sporthalle geschlossen ist? Oder darf zumindest der gewerbliche Mieter, der von Verordnungs wegen sein Unternehmen zu schließen hat, wenigstens seine Miete mindern?

Auf keine dieser Fragen gibt es derzeit endgültige Antworten. Vor allem die Frage nach der Mietminderung ist weiterhin hoch umstritten. Um diese soll es in diesem Beitrag gehen.

Ist die Schließungsanordnung ein Mietmangel?

Erste gerichtliche Entscheidungen deuten darauf hin, dass die beschränkte Nutzungsmöglichkeit von Gewerberäumen im Lockdown keinen zur Minderung der Miete berechtigenden Mangel der Mietsache darstellen. Die Mietsache ist ja nicht mangelhaft und trotz Pandemie nutzbar, weshalb auch kein Fall der Unmöglichkeit vorliegt. Der Vermieter erfüllte jederzeit seine Verpflichtungen aus § 535 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies sehen alle bisher vorliegenden Entscheidungen von Obergerichten unisono so. Allerdings bejahen sie alle auch grds. die Anwendbarkeit des § 313 BGB wegen sog. Störung der Geschäftsgrundlage.

Was bedeutet „Störung der Geschäftsgrundlage“?

§ 313 (Störung der Geschäftsgrundlage) lautet folgendermaßen:

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Dies bedeutet, es müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein:

(1) Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, haben sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert;

(2) das Festhalten an der vereinbarten Regelung führt für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis;

(3) die Parteien hätten den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.

Im Ergebnis hat die betroffene Partei einen Anspruch auf Vertragsanpassung.

OLG Dresden und Kammergericht: 50%

Allerdings ließ nunmehr ein Urteil des OLG Dresden vom 24. Februar 2021 – 5 U 1782/20, aufhorchen, das dem Mieter das Recht zur 50%igen Absenkung der Kaltmiete gab. Keine der Vertragsparteien könne für den Lockdown etwas, weshalb die damit verbundene Belastung gem. § 313 BGB gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen sei. Das Kammergericht, Urteil vom 01. April 2021 – 8 U 1099/20, hat sich dieser Auffassung nunmehr angeschlossen.

OLG München und OLG Karlsruhe: eher skeptisch

Andere Gerichte urteilen allerdings differenzierter und argumentieren v.a. mit dem Gesetzeszweck: Bei der Prüfung der Zumutbarkeit ist sowohl die Situation des Mieters als auch die des Vermieters zu berücksichtigen. So meint das OLG München, (Hinweisbeschluss vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20) und das OLG Karlsruhe (Urteil vom 24.02.2021, 7 U 109/20), eine pauschale Herabsetzung komme nicht in Betracht. Die Anpassung sei nur ausnahmsweise gerechtfertigt. Der Mieter müsse konkret zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen vortragen und habe zur Begründung seines Anpassungsverlangens jedenfalls eine schwere Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Lage durch die Offenlegung seiner Umsatzzahlen nachzuweisen. Zu berücksichtigen seien zudem erhaltene staatliche Hilfen, ersparte Aufwendungen in der Schließungszeit sowie Warenvorräte des Mieters. Auch der „Nachholeffekt“ durch erhöhte Umsatzzahlen nach der Wiedereröffnung des Betriebs sei zu berücksichtigen.

Und nun?

Es ist natürlich unsicher, ob sich die Meinung des OLG Dresden am Ende durchsetzen wird. Alle Gerichte gehen aber davon aus, dass eine Anpassung über § 313 Abs. 1 BGB möglich ist. Der Gesetzgeber hatte zum 1.1.2021 Artikel 240 § 7 EGBGB (Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen) geschaffen, der lautet:

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

Damit steht aber lediglich fest, dass die Corona-Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen kann. Die Frage, ob eine Anpassung der Miete im konkreten Fall angemessen ist, bleibt gerade offen und läßt isch nicht pauschal beantworten. Sie muss von den Gerichten in umfassender Abwägung der Umstände des Einzelfalls entschieden werden.

Sind Sie unsicher, ob dies auf Sie zutrifft? Lassen Sie sich beraten!

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Datum: Sonntag, 20. Juni 2021 22:50
Allgemein

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