Verkehrsrecht: MPU ab 1,1 ‰?

Oscars Tipps zum Verkehrsrecht (vom 26.02.2016)

 

Frage:

Ich bin alkoholisiert Auto gefahren und von der Polizei angehalten worden. Jetzt erhalte ich eine Aufforderung, bei der Polizei vorzusprechen. Mit wird vorgeworfen, 1,12 ‰ Alkohol im Blut gehabt zu haben. Ich befürchte, meine Fahrerlaubnis zu verlieren. Was soll ich tun?

Antwort:

Sie sollen sicherlich zur „Beschuldigtenvernehmung“ erscheinen. Sie sind nicht verpflichtet, dort zu erscheinen und rate ich Ihnen zunächst dringend ab, dort unvorbereitet aufzulaufen, ohne dass Sie genau wissen, was Ihnen vorgeworfen wird. Suchen Sie einen Fachanwalt für Verkehrsrecht auf und lassen Sie diesen zunächst Akteneinsicht nehmen.

Ihnen droht neben einer empfindlichen Geldstrafe auch der Entzug Ihrer Fahrerlaubnis und schlimmstenfalls die Aufforderung, zur sog. medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu erscheinen. Dieser ist zu Recht gefürchtet: im Jahr 2014 mussten bundesweit mehr als 40.000 Verkehrssünder hin. Die wenigsten sind beim ersten Mal erfolgreich und laufen dann oft viele Jahre ihrer Fahrerlaubnis hinterher.

In Ihrem Fall ergibt sich zudem noch ein rechtliches Problem: Denn während nach dem klaren Gesetzeswortlaut der sog. „Idiotentest“ erst ab einer Alkoholisierung von 1,6 ‰ anzuordnen ist, ordnen immer mehr Fahrerlaubnisbehörden diesen schon ab einer erstmaligen Alkoholisierung vom mehr als 1,1 ‰ an und berufen sich hierbei auf neue Urteile von Verwaltungsgerichten in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und NW (VGH Mannheim, Beschl. v. 15.01.2014 – 10 S 1748/13; VGH München, 17.11.2015 – 11 BV 14.2738; OVG Münster, Beschl. v. 21.01.2015 – 16 B 1374/14; VG Berlin, Beschl. v. 22.12.2014 – 4 L 298.14 ).

Ich halte dies für falsch, denn die vom Verordnungsgeber gerade vorgesehene Grenze von 1,6 ‰ liefe sonst leer. Aber zumindest in den Bundesländern, deren Gerichte dies so entschieden haben, ist dies derzeit der Stand der Dinge.

Er heißt nicht mehr und nicht weniger als dies:

wer einmal einen über den Durst trinkt, riskiert für lange Zeit den Verlust seines Führerscheins.

In Thüringen verfährt bereits der Wartburgkreis so. Wer dort wohnt und mit diesem Problem konfrontiert wird, dem kann derzeit nur zum Umzug geraten werden, um zumindest seinen Führerschein ohne „Idiotentest“ wiederzuerhalten, denn für Thüringen liegen noch keine Urteile hierzu vor. Ein erfahrener Fachanwalt wird aber ggf. weitere Anknüpfungspunkte für die Verteidigung entdecken und kann vielleicht sogar die Einstellung des Verfahrens erreichen.

 

Oscar

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Autor:
Datum: Dienstag, 1. März 2016 14:23
Allgemein

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2 Kommentare

  1. 1

    Sollte man zur Beschuldigtenvernehmung mit Anwalt erscheinen? Oder genügt ein Briefing vorab?

  2. 2

    Besser mit Anwalt. Noch besser: gar nicht hingehen, Akteneinsicht beantragen und sich schriftlich zum Tatvorwurf einlassen.

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