Datenschutz: Darf der Fotograf demnächst seine Fotos nur noch mit schriftlicher Einwilligung der Betroffenen veröffentlichen?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein neues Gespenst geht um in Europa: die DSGVO, sprich: Datenschutz-Grundverordnung.

Und ich bin jetzt schon begeistert, was da alles für ein Unsinn herumschwirrt, was dieses böse Gesetzeswerk alles bringen soll.

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Vorab: es gibt genau einen Grund, warum das Thema „Datenschutz“ jetzt in aller Munde ist. Jeder hat schon einmal gelesen, dass die DSGVO Bußgelder bis zu 20 Mio. € androht. Nein, keine Angst, lieber Leser, Sie wird es nicht treffen, wenn Sie ein paar Grundregeln ernst nehmen, die zwar etwas Arbeit machen, aber mehr nicht. ZB sollten Sie sich im Unternehmen abgewöhnen, eMail-Adressen bei mehreren Adressaten alle in die Empfängerzeile zu schreiben statt in BCC. Und um arbeitslosen Anwälten nicht neuen Auftrieb zu geben, im Namen fiktiver Mandantschaft Ihre Webseite aufs Korn zu nehmen, sollten Sie Ihre Datenschutzerklärung überprüfen lassen.

Und nun zu den Fotografen. Für diese gilt nicht etwa „das Ende der Fotografie, wie wir sie kennen“, wie es der eine oder andere Kollege bereits ausgerufen hat. Richtig ist zwar, dass die DSGVO als europäische Verordnung demnächst die Musik macht und deutsche Gesetze wie das Kunsturhebergesetz verdrängt. Doch sieht gerade Art. 85 Abs. 1 u. 2 DSGVO vor, dass eine Verarbeitung zu journalistischen Zwecken im nationalen Recht abweichend geregelt werden kann (sog. „Öffnungsklausel“). Solche Regeln gibt es aber bereits, v.a. in den §§ 22 u. 23 KUG, die das Fotografieren bisher schon weitgehend erlaubt haben. Mir fällt kein vernünftiger Grund ein, warum dies nicht genau die Regeln sein sollen, die die Lücke füllen sollen, die die DSGVO dem einzelnen Mitgliedsstaat ausdrücklich lässt. Nun, wenden andere ein, die Öffnungsklausel sei nur für die institutionalisierte Presse vorgesehen. Hobbyfotografen fielen hinten runter. Glaub ich nicht. Journalist ist, wer einmal versucht hat, unfallfrei einen Leserbrief zu schreiben, hat meine Repetitorin mir vor 20 Jahren beigebracht. Muss auch so sein, denn anders funktioniert die Presse nicht. Wer Grundrechtsträger ist, ist nicht Definitionssache der Schließer. Richtig ist, dass die Ländergesetzgeber etwas an ihren Landespressegesetzen tun müssen. Aber das ist nicht unser Thema und betrifft auch die Hobbyfotografen nur am Rande. Übrigens: spannend wird sich die Diskussion entwickeln, ob sich nicht vielleicht ein „berechtigtes Interesse“ finden lässt, das die Veröffentlichung ohne Einwilligung erlaubt (Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO). Wenn Datenspeicherung zu Werbezwecken ohne Einwilligung zulässig ist (Erwägungsgrund 47), warum sollte die Interessenabwägung in diesem Fall dann völlig anders ausfallen? Dann wäre am Ende mit der DSGVO sogar mehr erlaubt als zuvor ohne sie.

Ich selber vertraue in unsere unabhängige Rechtsprechung. Sie hat in diesem Bereich bisher viel richtig gemacht.

Beispiel „Private als Zeitgeschichte”

Der BGH hielt etwa in einem Urteil vom 08.04.2014 – VI ZR 197/13 Fotos von Mietern, die eine Wohnungsbaugenossenschaft anlässlich eines Mieterfests geknipst und dann in einer Informationsbroschüre veröffentlicht hatte, für einwilligungsfrei. Das Mieterfest gehöre in den Bereich der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Elfriede Kneffelmann und Kuno Dummbrot beim Umtrunk auf der Bierzeltgarnitur als Zeitgeschichte? Wir sehen, dass es dem höchsten deutschen Zivilgericht v.a. darauf ankam, sich nicht widerspruchslos knipsen zu lassen, um später die Hand aufhalten zu können.

Fazit: Wer bei einer öffentlichen Veranstaltung fotografiert wird, muss natürlich damit rechnen, dann auch veröffentlicht zu werden. Das gilt jetzt und wird auch weiterhin gelten, wetten?

Update 14.05.2018:

Das Bundesministerium des Innern hat nunmehr eine Stellungnahme veröffentlicht, die meine Rechtsauffassung stützt. Sie lautet:

Das Anfertigen von Fotografien wird sich auch zukünftig auf eine – wie bislang schon – jederzeit widerrufbare Einwilligung oder alternative Erlaubnistatbestände wie die Ausübung berechtigter Interessen (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO) stützen können. Diese Erlaubnistatbestände (nach geltender Rechtslage Art. 7 der geltenden EU-Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG i.V.m. den nationalen Umsetzungsgesetzen) decken seit vielen Jahren datenschutzrechtlich die Tätigkeit von Fotografen ab und werden in Art. 6 DS-GVO fortgeführt. Die Annahme, dass die DS-GVO dem Anfertigen von Fotografien entgegenstehe, ist daher unzutreffend.

Für die Veröffentlichung von Fotografien bleibt das Kunsturhebergesetz auch unter der ab dem 25. Mai 2018 anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung erhalten. Es sind, wie ich bereits in meiner Antwort ausgeführt habe, keine Änderungen oder gar eine Aufhebung mit Blick auf die Datenschutz-Grundverordnung vorgesehen.

Die Ansicht, das Kunsturhebergesetz werde durch die DS-GVO ab dem 25. Mai 2018 verdrängt, ist falsch. Das Kunsturhebergesetz stützt sich auf Artikel 85 Abs. 1 DS-GVO, der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit eröffnet. Das Kunsturhebergesetz steht daher nicht im Widerspruch zur DS-GVO, sondern fügt sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DS-GVO ein. Eine gesetzliche Regelung zur Fortgeltung des Kunsturhebergesetzes ist nicht erforderlich. Ebenso führen die Ansätze anderer Mitgliedstaaten, die sich in allgemeiner Form zum Verhältnis von Datenschutz und Meinungs- und Informationsfreiheit verhalten, in der praktischen Umsetzung nicht weiter und führen nicht zu mehr Rechtssicherheit.

Die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Informationsfreiheit fließt zudem unmittelbar in die Auslegung und Anwendung der DS-GVO ein, insbesondere stellen sie berechtigte Interessen der verantwortlichen Stellen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO dar. Die DS-GVO betont, dass der Schutz personenbezogener Daten kein uneingeschränktes Recht ist , sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden (Erwägungsgrund 4). Zu den von der DS-GVO in diesem Zusammenhang genannten Grundrechten zählt ausdrücklich auch die Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit.

Njetzt langsam mal gut sein!un ist eine ministerielle Stellungnahme noch kein Gesetz. Sie ist aber bei dessen Auslegung zu beachten. Deshalb sollte es mit den Kassandrarufen jetzt langsam mal gut sein.

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Datum: Donnerstag, 3. Mai 2018 18:44
Allgemein

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