Meine Mutter hat meiner Schwester, mit der ich mich nicht
gut verstehe, eine Vorsorgevollmacht erteilt. Meine Schwester hat immer wieder
Geld vom Konto meiner Mutter abgehoben. Kann ich nach dem Tod meiner Mutter als
gesetzlicher Miterbe Auskunft und Rechenschaft von meiner Schwester verlangen?
Antwort:
In rechtlicher Hinsicht besteht
zwischen der Mutter und dem, aufgrund einer Vorsorgevollmacht bevollmächtigten
Kind ein Auftragsverhältnis gem. §§ 662 ff BGB. Folge ist, dass der oder die
Bevollmächtigte gegenüber dem Vollmachtgeber zur Auskunftserteilung, Rechenschaftslegung
und Herausgabe des Erlangten verpflichtet ist. Diese Ansprüche gehen im Erbfall
auf den oder die Erben über. Der Miterbe kann demnach gegenüber dem
Bevollmächtigten insbesondere Rechenschaftslegung hinsichtlich der Abwicklung
von Bankkonten verlangen. Dies gilt ausnahmsweise nicht im Verhältnis von
Ehegatten zueinander, die in häuslicher Gemeinschaft leben. Will der Vollmachtgeber
tatsächlich derartige Ansprüche ausschließen um eine Inanspruchnahme des Bevollmächtigten
nach seinem Tod zu verhindern, so muss er dies ausdrücklich im Rahmen der Bevollmächtigung
regeln. Im Falle von Unklarheiten sollte rechtlicher Rat in Anspruch genommen
werden um Streitigkeiten nach dem Tod des Erblassers zu vermeiden.
Eine der brennendsten Fragen des
Datenschutzrechts: wie weit darf
Videoüberwachung gehen? Dürfen Ärzte ihre Praxis überwachen, wenn der Eingangstresen
nicht besetzt ist? Dieser gängigen Praxis hat das Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG, Urt. v. 27.03.2019 – 6 C 2.18) jetzt ein Ende bereitet. Das Urteil ist
nicht nur für Arztpraxen interessant.
Der Fall
Eine Zahnärztin überwachte den
Empfangsbereich und das Wartezimmer ihrer Praxis per Videokamera aus dem
Behandlungszimmer heraus, da der Eingangstresen nicht ständig besetzt ist. Sie
wies sowohl vor der Tür als auch am Tresen per Schild auf die Videoüberwachung
hin. Der Landesdatenschutzbeauftragte gab der Klägerin per Bescheid auf, die
Videokamera so auszurichten, dass der den Patienten zugängliche Bereich vor dem
Eingangstresen, also Flur, Eingangstür und Wartezimmer nicht mehr erfasst
werden. Mit anderen Worten: er untersagte ihr Aufnahmen aller Bereiche, in denen sich Patienten bewegen, auch des Wartezimmers.
Das Urteil
Die Zahnärztin klagte gegen
diesen Bescheid und argumentierte, sie sei auf die Überwachung angewiesen: Personen
könnten ihre Praxis betreten, um Straftaten zu begehen. Ebenso könne sie so
Patienten nach der Behandlung schnell helfen, wenn sie sich ins Wartezimmer
setzten, weil es ihnen schlecht gehe. Dem BVerwG reichte dies nicht. So
pauschale Gründe könnten den mit der Überwachung verbundenen gravierenden
Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht rechtfertigen. Vielmehr bedürfe es „berechtigter
Interessen“, die Vorrang vor dem Datenschutz der Patienten haben. Solche trug
die Klägerin aber nicht vor, weshalb die Klage der Abweisung unterlag. Das
BVerwG hält es sogar für zumutbar, dass die Ärztin den Eingangstresen dauerhaft
besetzt, auch wenn dies mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein mag.
Das BVerwG stellte gleichfalls
klar, dass die DSGVO erst für Datenschutzverstöße gelte, die ab dem 25.5.2018
geschehen seien. Vorher gilt das BDSG, das hier in § 6b
Abs. 1 BDSG a.F aber eine ganz ähnliche Regelung vorhielt.
Fazit
Das kommt nicht nur in Arztpraxen
vor: auch Unternehmen, Supermärkte, Sportvereine, die ihr teures Equipment
schützen wollen, sogar Privatpersonen installieren vor ihrem Haus eine
Videokamera zwecks Überwachung der Besucher und Passanten. Das BVerwG hat jetzt
klargestellt, dass dies in den meisten Fällen nicht zulässig ist, sofern der
Verantwortliche hierfür keinen wichtigen Grund hat, der das
Persönlichkeitsrecht der Überwachten überwiegt. Supermarktbesitzer dürfen Ladendiebe
weiterhin überwachen, Unternehmer ihre Mitarbeiter aber jedenfalls dauerhaft nicht.
Eine zulässige Videoüberwachung setzt voraus, dass der Verantwortliche
das
überwachte Publikum hierüber unmißverständlich aufklärt und
hierfür
einen wichtigen Grund anführen kann, ggf. den überwachten Bereich einzuschränken
hat.
Das Urteil erging zwar zur alten
Rechtslage, dürfte stellte das BVerwG sicherheitshalber klar, dass seine
Entscheidung auch unter Geltung der DSGVO kaum anders ausgefallen wäre. Auch
Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO setzt ein berechtigtes Interesse voraus, das gegen
das Recht des Betroffenen abzuwägen ist.
Was ist zu tun?
Vorsicht Abmahngefahr! Datenpannen sind nicht nur bußgeldbewehrt,
sondern können vom Betroffenen auch zivilrechtlich abgemahnt werden. Setzt
dieser seine Unterlassungsansprüche anwaltlich durch, wird es noch teurer. Der
Einsatz einer Videokamera will daher wohl überlegt sein.
Das erste Messgerät im Straßenverkehr, das längere Strecken kontrolliert, ist erst einmal wieder abgeschaltet. Wie das Verwaltungsgericht Hannover (Urt. v. 12.03.2019, Az. 7 A 849/19) entschied, gibt es keine Rechtsgrundlage für den Betrieb einer Radaranlage, die die Kennzeichen sämtlicher vorbeifahrender Autos erfasst.
Der Fall:
Das Land Niedersachsen betreibt auf der BAB6 in Laatzen zwischen den Anschlussstellen Gleidingen und Rethen seit dem 14.1.2019 ein „Section Control“ genanntes System, bei dem die Kennzeichen aller durchfahrenden Autos erfasst werden. Die Radaranlage ermittelt bei jedem Kfz das Durchschnittstempo auf einem 2,2 km langen Streckenabschnitt. Die Kennzeichen der Fahrzeuge, die sich an die zugelassene Geschwindigkeit gehalten haben, werden beim Ausfahren sogleich wieder gelöscht, bei den anderen beginnt das Bußgeldverfahren. Autofahrer, die, wie etwa auf der BAB71 in Thüringen mit fünf stationären Blitzern, immer kurz vor der Kamera abstoppen, um dann wieder Gas zu geben, werden sich beim Betrieb eines solchen Gerätes künftig umstellen müssen. Kein Wunder, dass Bußgeldstellen in der ganzen Republik mit Spannung auf den Testbetrieb in Niedersachsern schauen. 141 Bußgeldbescheide in fast zwei Monaten wurden erlassen. Aber ist die Erfassung aller durchfahrenden Fahrzeuge wirklich gerechtfertigt?
Das Problem:
Der Kläger
trägt vor, er befahre diese Strecke fast täglich; die anlasslose Kennzeichenerfassung und -verarbeitung stelle einen
nicht gerechtfertigten Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art.
2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) dar. Sie verletze sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es fehle an der
notwendigen Rechtsgrundlage hierfür. Er beantragt, das Land Niedersachsen zu
verurteilen, es zu unterlassen, mittels des Geschwindigkeitsmessgerätes
„Section Control“ auf der Bundesstraße B 6 in Laatzen zwischen den
Anschlussstellen Gleidingen und Rethen das amtliche Kennzeichen eines jeden von
ihm geführten Fahrzeugs zu erfassen und maschinell zu verarbeiten.
Das VG
Hannover gab dem Kläger Recht. In einem parallel
von diesem geführten Eilverfahren untersagte
es dem Land im Wege der einstweiligen Anordnung
vorläufig und bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Klageverfahrens den
Betrieb der Anlage.
Die
Kennzeichenerfassung greife in das Grundrecht des Klägers auf informationelle
Selbstbestimmung ein Es verwies auf den Beschluss des BVerfG vom 18.12.2018,
Az. 1 BvR 142/15: Es handele sich schon bei der Erfassung
der Nummernschilder und nicht erst bei der Verarbeitung zum Zwecke der
Einleitung eines Bußgeldverfahrens um die Verarbeitung personenbezogener Daten
und damit um einen staatlichen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung.
Das BVerfG:
„Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne (…) hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen“…Jederzeit an jeder Stelle unbemerkt registriert und darauf überprüft werden zu können, ob man auf irgendeiner Fahndungsliste steht oder sonst in einem Datenbestand erfasst ist, wäre damit unvereinbar“.
Der Datenschutzverstoß entfalle
also nicht bereits deshalb, dass Kennzeichen beim Ausfahren wieder gelöscht
werden, sofern kein Verkehrsverstoß vorlag. Auch, dass die Anklage im
Testbetrieb liefe, mache den Datenschutzverstoß nicht ungeschehen.
Eine
Rechtsgrundlage zur Rechtfertigung dieses Grundrechtseingriffs existiere nicht.
Ob eine solche Rechtsgrundlage überhaupt in die Gesetzgebungskompetenz des
Landes Niedersachsen falle oder der Bundesgesetzgeber tätig werden müsse, ließ
das Gericht dahingestellt, da jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt weder auf
Bundes- noch auf Landesgesetzesebene eine Ermächtigungsgrundlage existiere.
Fazit:
Problem erkannt, Problem gebannt?
Das neue niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz, das derzeit im niedersächsischen Landtag beraten wird, sieht eine ausdrückliche Rechtsgrundlage in § 32 Abs. 6 für die Datenverarbeitung im Rahmen der Abschnittskontrolle zur Geschwindigkeitsüberwachung vor. „Verabschiedet der Landtag dieses Gesetz, ist der Weg für Section Control wieder frei“, meinte dazu die Landesdatenschutzbehörde. Aber genügt es, lediglich eine neue gesetzliche Regelung in die Polizeigesetze der Länder aufzunehmen? Erinnern wir uns kurz an die hektische Betriebsamkeit der Oberlandesgerichte vor gut 10 Jahren, als das BVerfG in seinem Sensationsbeschluss vom 11.08.2009 – 2 BvR 941/08 die anlasslose Brückenmessung kassiert und für kurze Zeit für die fast reine Freude bei Verkehrsanwälten gesorgt hatte, als Bußgeldrichter Verfahren reihenweise fasdt ohnmächtig vor Zorn einstellen mussten. Schon in seinem Urteil vom 11.03.2008 – 1 BvR 2074/05, hatte der 1. Senat ausgeführt:
„Die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen darf nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist im Übrigen nicht gewahrt, wenn die gesetzliche Ermächtigung die automatisierte Erfassung und Auswertung von Kraftfahrzeugkennzeichen ermöglicht, ohne dass konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder -verletzungen einen Anlass zur Einrichtung der Kennzeichenerfassung geben. Die stichprobenhafte Durchführung einer solchen Maßnahme kann gegebenenfalls zu Eingriffen von lediglich geringerer Intensität zulässig sein.“
Die Oberlandesgerichte erklärten flugs § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG bilde eine hinreichende Rechtsgrundlage für die von der Polizei in Bayern im Rahmen von Brückenabstandsmessverfahren durchgeführten anlassbezogenen (!) Videoaufzeichnungen zur Identifizierung Betroffener (OLG Bamberg, Beschl. v. 16.11.2009 – 2 Ss OWi 1215/09).
Wie gesagt: anlassbezogen. Denn da hatten die Hersteller ihre Geräte bereits so weit umgestellt, dass sie nur noch bei konkretem Verdacht ansprangen. Das wird bei „Section Control“ gerade nicht funktionieren. Weitere Verfassungsbeschwerden sind vorprogrammiert. Die Landesdatenschutzbeauftragten bleiben ebenso aufgefordert, weiterhin genau hinzusehen, was mit den verarbeiteten personenbezogenen Daten geschieht und zu überprüfen, ob die hier erforderliche Datenschutz-Folgenabschätzung nach Art. 35 DSGVO umfassend erfolgt ist.
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