Beamtenrecht: höhere Besoldung für alle Thüringer Beamten?
Mit einem Paukenschlag endet das Jahr für die Thüringer Beamten: wie der Thüringer Beamtenbund auf seiner Webseite berichtet, bestätigte das Thüringer Finanzministerium in der öffentlichen Anhörung des Petitionsausschusses des Thüringer Landtags vom 26.11.2020 im Petitionsverfahren Nr. E-129/19, dass die Besoldung im Freistaat Thüringen derzeit verfassungswidrig ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Besoldung der Beamten der untersten Besoldungsgruppe jedenfalls 15 % höher sein als das Niveau der sozialrechtlichen Grundsicherung (BVerfG, Beschl. v. 04.05.2020 – 2 BvL 4/18). Auch die kindbezogenen Familienzuschläge müssen ihr Nettoeinkommen so erhöhen, dass ihnen für jedes dieser Kinder mindestens 115 % des grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarfs nach dem SGB II zur Verfügung steht (BVerfG, Beschl. v. 04.05.2020 – 2 BvL 6/17). Die Petition weist nach, dass dies in Thüringen im Jahre 2017 und wohl auch in den Folgejahren nicht der Fall war.
Dies bedeutet für die Thüringer Beamten zweierlei:
- Die untersten Besoldungsgruppen (A 6 – A 8) in Thüringen sind deutlich anzuheben;
- alle anderen Besoldungsgruppen dann aber in der Konsequenz auch.
Denn die Fehlerhaftigkeit des Besoldungsniveaus in der untersten Besoldungsgruppe führt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 30.10.2018 – 2 C 32.17 u. Beschl. v. 22.09.2017, Az. 2 C 56.16) zwangsläufig zur Verfassungswidrigkeit des Besoldungsniveaus der hier in Rede stehenden höheren Besoldungsgruppen. Solange der Gesetzgeber die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen nicht bewusst neu geordnet hat, hat die erforderliche Anpassung der untersten Besoldungsgruppe notwendigerweise eine Verschiebung des Gesamtgefüges zur Folge.
Eine weitere Überlegung stützt diese Notwendigkeit:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (sogenannte „relative Vergleichsmethode“, u.a. BVerfG, Urt. v. 05.05.2015 – 2 BvL 17/09; Beschl. v. 17.11.2015 – 2 BvL 19/09) ist die Frage einer amtsangemessenen Besoldung anhand verschiedener Kriterien wie Verbraucherpreisentwicklung, Nominallohnentwicklung in der freien Wirtschaft, Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst, Abstand zwischen den Besoldungsgruppen sowie Vergleich mit anderen Ländern und dem Bund zu beurteilen. Es besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Besoldung, wenn drei der o.g. fünf Prüfparameter verletzt sind. Das gleiche Ergebnis ergibt sich, wenn nur zwei der fünf Parameter verletzt sind, sich diese Verletzung aber als erheblich darstellt (BVerwG, Beschl. v. 30.10.2018 – 2 C 32.17 u. v. 22.09.2017 – 2 C 6/17).
Die Petition weist im Zeitraum von 2008 bis 2015 eine Verletzung von drei, seither mindestens von zwei Prüfparametern nach. So ergibt sich für die Besoldungsgruppen A 10 bis A13 im Vergleich zu den Verdiensten in der Privatwirtschaft (Nominallohn) eine Abweichung von 17,84 % und zu den Verdiensten im öffentlichen Dienst (Tarifentwicklung) eine Abweichung von 8,53 %.
Was bedeutet dies für die Thüringer Beamten?
Sie sollten bis zum 31.12.2020 ihrer Besoldung widersprechen.
Denn erweist diese sich für die Vergangenheit als verfassungswidrig, sind die Unterschiedsbeträge zur amtsangemessenen Besoldung nachzuzahlen. Da hier mit der Erhebung der Einrede der Verjährung zu rechnen ist, wären, falls noch in diesem Jahr Widerspruch erhoben wird, Beträge ab dem 01.01.2017 nachzuzahlen, sonst erst ab dem 01.01.2018. Sollte der Gesetzgeber tätig werden, sind immerhin die Ansprüche ab dem 01.01.2020 einbezogen.
Der hier herunterzuladende Musterwiderspruch darf frei verwendet und verteilt werden.