Beiträge vom März, 2016

Vertragsrecht: der Widerrufsjoker bei Bankendarlehen zieht nur noch bis zum 21. Juni 2016

Freitag, 25. März 2016 18:13

(aus: Saalejournal v. 26.03.2016)

Stell einer noch die Macht der Banken in Frage: im Eiltempo hat der Bundes­tag beschlossen, dass das Widerrufs­recht für Millionen zwischen September 2002 und Juni 2010 geschlossener Immobilien­kredit­verträge mit fehler­hafter Widerrufs­belehrung bis zum Dienstag, 21. Juni 2016, 24.00 Uhr, ausgeübt werden muss. Am Mitt­woch, 22. Juni 2016, um 0.00 Uhr ist es erloschen.

Der Hintergrund

Damit korrigiert der Gesetzgeber ein Dilemma, in das die betroffenen Banken sich größtenteils selber gebracht haben: zwingendes Europarecht verpflichtete sie, zum 1. November 2002 ihre Kunden über ein bestehendes Widerrufsrecht zu belehren. Dieses sollte, grob vereinfacht, den Kreditnehmer zwei Wochen (bzw. später: 14 Tage) nach Abschluss des Kreditvertrages zum Widerruf berechtigen. Damit nichts schiefgehen konnte, stellte der Gesetzgeber gar eine „Muster-Widerrufsbelehrung“ zur Verfügung. Wer diese eins zu eins übernahm, konnte gar nichts falsch machen. So die Theorie.

Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“, stand drin.

Was heißt das jetzt? Das Landgericht Halle (Urt. v. 13.05.2005 – 1 S 28/05) und später der BGH belehrte den Gesetzgeber (!), dies sei gerade nicht die geforderte transparente Lösung und erklärte gleich die gesamte Verordnung für nichtig. Es folgten weitere drei teils erheblich veränderte Muster-Widerrufsbelehrungen, die ersichtlich von der Intention getragen waren, jeden Fall abzudecken, aber in sich auch nicht transparent waren und die Probleme eher vergrößerten. Der BGH sprang bei und entschied, dass der Verwender der jeweils gültigen gesetzlichen Muster-Widerrufsbelehrung Vertrauensschutz genieße, wenn er diese genauso wie vorgesehen verwende. Das bedeutete aber auch: änderte er nur ein einziges Wort, war er nicht mehr geschützt.

Und so kam, wie es kommen musste: Das ARD-Wirtschaftsmagazin PlusMinus berichtete am 16. Januar 2013, dass bei vielen Verbraucherdarlehen die Widerrufsbelehrungen fehlerhaft seien und hohe Entschädigungsforderungen der Kunden bei vorzeitig beendeten Immobilienkrediten drohten. Die Banken blockten die Anfragen ihrer Kunden ab und erste Urteile von Landgerichten im Jahr 2014 befanden, dass einzelne Klauseln verschiedener Banken rechtswidrig waren.

Der „Widerrufsjoker“ war geboren. Weil in der Zwischenzeit die Zinsen stark gesunken sind, können Kreditnehmer auf diese Weise viele tausend Euro sparen. Rund 80 Prozent der von Oktober 2002 an geschlossenen Immobilienkreditverträge haben Schätzungen der Verbraucherschützer zufolge fehlerhafte Widerrufsbelehrungen.

Wann greift der „Widerrufsjoker“?

Gemäß § 355 Absatz 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit dem Erhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung in Textform. Eine Widerrufsbelehrung muss danach eine deutliche Belehrung über die wesentlichen Rechte und Pflichten enthalten. Sie muss insbesondere darüber informieren, dass die entsprechende Willenserklärung zum Abschluss des Vertrages innerhalb einer Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 BGB n.F.) bzw. 2 Wochen (§ 355 BGB a.F.) widerrufen werden kann. Ferner muss der Verbraucher ausdrücklich darüber belehrt werden, dass schon die rechtzeitige Absendung des Widerrufs die vorgegebene Frist wahrt. Entscheidend ist daher, dass die Bank den Kunden deutlich über den Beginn der Frist belehrt:

  • Welches Ereignis genau setzt die Frist in Gang?
  • Kann der Verbraucher eigenständig die Frist ermitteln?
  • Ist die Bestimmung enthalten, dass der Verbraucher vor Lauf der Widerrufsfrist im Besitz einer Urkunde ist, die seine eigene Vertragserklärung enthält?

Erläutert die Belehrung diese Voraussetzungen nicht transparent, ist sie unwirksam mit der Folge, dass die Widerrufsfrist nicht läuft. Der Kunde kann den Vertrag noch widerrufen, selbst wenn er bereits abgewickelt ist, sei es dass die Darlehenssumme schon vollständig gezahlt hat, sei es dass die Bank infolge Zahlungsverzugs selber gekündigt hat.

Beispiele rechtswidriger Belehrungen

Der “Klassiker” unter den rechtswidrigen Widerrufsbelehrungen ist nach wie vor:

Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“.

Eine andere oft in dieser oder ähnlicher Variante anzutreffene Belehrung lautet:

„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
–   eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung,
–   die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrages
zur Verfügung gestellt wurden, aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses.“

manchmal garniert mit einer Fußnote, dass bei Fernabsatzgeschäften eine andere Frist gelte. Beides ist rechtswidrig, wie der BGH 2009 unmißverständlich ausgeführt hat, denn der Kunde könnte meinen, die  Widerrufsfrist  beginne  bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots (BGH, Urt. v. 10.03.2009 – XI ZR 33/08). Auch verwirren mehrere Belehrungen nebeneinader. Dem haben sich mittlerweile viele Instanzgerichte für ähnliche Klauseln angeschlossen.

Steht in Ihrer Belehrung also, der Lauf der Frist beginne “einen Tag” nach einem näher bezeichneten Ereignis, sollten Sie dies überprüfen lassen!

Die Folgen eines Widerrufs

Widerruft der Verbraucher seine Vertragserklärung, ist der Vertrag rückabzuwickeln.

Besonders interessant für durch die Bank bereits gekündigte und zur Vollstreckung notierte Verträge: dieser entfällt mir Erklärung des Widerrufs. Eine Vollstreckung aus der notariellen Urkunde ist nicht mehr zulässig.

Der Verbraucher ist dann verpflichtet, sofort das gesamte Darlehen zurückzuzahlen, plus die für die Kapitalüberlassung marktüblichen Zinsen.

Die Bank ist im Gegenzug verpflichtet, die bereits gezahlten Leistungen zu erstatten sowie die gezogenen Nutzungen herauszugeben. In der Praxis wird die Differenz beider Anspruchssummen ausgeglichen.

Beispiel:

Hat der Kunde im Januar 2008 einen Immobilienkredit von 190.000,00 Euro zu einem Zinssatz von 5,2 % für 10 Jahre aufgenommen und monatlich 1.200,00 Euro getilgt, betrüge die Restschuld am Ende der Zinsbindung im Jahr 2018 etwa 131.000,00 Euro. Bei einem Widerruf im Januar 2015 nebst Neufinanzierung zu 1,9 % betrüge die Restschuld im Jahr 2018 nur ca. 105.000,00 Euro. Der Kunde spart hier bereits rund 26.0000,00 Euro. Hinzutritt die von der Bank zu zahlende Entschädigung für das gezahlte Kapital, mit dem sie in den 7 Jahren ja gearbeitet hat und für das, rechnet die Bank keinen geringeren Gewinn vor, mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu beziffern ist. Nicht zu vergessen, dass sich der Zinsvorteil ja fortsetzt.

Taktik

Es versteht sich zunächst von selber, dass bereits ein verbindliches Angebot einer Anschlussfinanzierung vorliegen muss, ehe der Widerrufsjoker gezogen wird.

Generell empfiehlt sich, zunächst den Widerruf nicht zu erklären, sondern sein Kreditinstitut auf die Widerruflichkeit hinzuweisen. Ggf. läßt sich mit dieser vereinbaren, dass zumindest für die Zukunft ein derzeit marktüblicher Zinssatz gilt und der Vertrag bestehen bleibt. Gerade bei eindeutig rechtswidrigen Belehrungen haben Banken zuletzt öfter Vergleichsbereitschaft gezeigt.

Vergessen Sie aber nicht, dass dieses Thema nach dem 21. Juni 2016 erledigt sein wird, wenn Sie nicht rechtzeitig reagieren. Also im Zweifel: ab zum Anwalt. Die Kosten einer Überprüfung Ihres Vertrages sind geringer als Sie denken.

abmahnungen-internet-deubner

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Verkehrsrecht: MPU ab 1,1 ‰?

Dienstag, 1. März 2016 14:23

Oscars Tipps zum Verkehrsrecht (vom 26.02.2016)

 

Frage:

Ich bin alkoholisiert Auto gefahren und von der Polizei angehalten worden. Jetzt erhalte ich eine Aufforderung, bei der Polizei vorzusprechen. Mit wird vorgeworfen, 1,12 ‰ Alkohol im Blut gehabt zu haben. Ich befürchte, meine Fahrerlaubnis zu verlieren. Was soll ich tun?

Antwort:

Sie sollen sicherlich zur „Beschuldigtenvernehmung“ erscheinen. Sie sind nicht verpflichtet, dort zu erscheinen und rate ich Ihnen zunächst dringend ab, dort unvorbereitet aufzulaufen, ohne dass Sie genau wissen, was Ihnen vorgeworfen wird. Suchen Sie einen Fachanwalt für Verkehrsrecht auf und lassen Sie diesen zunächst Akteneinsicht nehmen.

Ihnen droht neben einer empfindlichen Geldstrafe auch der Entzug Ihrer Fahrerlaubnis und schlimmstenfalls die Aufforderung, zur sog. medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu erscheinen. Dieser ist zu Recht gefürchtet: im Jahr 2014 mussten bundesweit mehr als 40.000 Verkehrssünder hin. Die wenigsten sind beim ersten Mal erfolgreich und laufen dann oft viele Jahre ihrer Fahrerlaubnis hinterher.

In Ihrem Fall ergibt sich zudem noch ein rechtliches Problem: Denn während nach dem klaren Gesetzeswortlaut der sog. „Idiotentest“ erst ab einer Alkoholisierung von 1,6 ‰ anzuordnen ist, ordnen immer mehr Fahrerlaubnisbehörden diesen schon ab einer erstmaligen Alkoholisierung vom mehr als 1,1 ‰ an und berufen sich hierbei auf neue Urteile von Verwaltungsgerichten in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und NW (VGH Mannheim, Beschl. v. 15.01.2014 – 10 S 1748/13; VGH München, 17.11.2015 – 11 BV 14.2738; OVG Münster, Beschl. v. 21.01.2015 – 16 B 1374/14; VG Berlin, Beschl. v. 22.12.2014 – 4 L 298.14 ).

Ich halte dies für falsch, denn die vom Verordnungsgeber gerade vorgesehene Grenze von 1,6 ‰ liefe sonst leer. Aber zumindest in den Bundesländern, deren Gerichte dies so entschieden haben, ist dies derzeit der Stand der Dinge.

Er heißt nicht mehr und nicht weniger als dies:

wer einmal einen über den Durst trinkt, riskiert für lange Zeit den Verlust seines Führerscheins.

In Thüringen verfährt bereits der Wartburgkreis so. Wer dort wohnt und mit diesem Problem konfrontiert wird, dem kann derzeit nur zum Umzug geraten werden, um zumindest seinen Führerschein ohne „Idiotentest“ wiederzuerhalten, denn für Thüringen liegen noch keine Urteile hierzu vor. Ein erfahrener Fachanwalt wird aber ggf. weitere Anknüpfungspunkte für die Verteidigung entdecken und kann vielleicht sogar die Einstellung des Verfahrens erreichen.

 

Oscar

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