Beiträge vom Mai, 2020

Verwaltungsrecht: Entschädigung für Betriebsschließungen: jetzt beantragen!

Dienstag, 5. Mai 2020 18:28

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Christian Sitter

„Untersagt sind Gastronomiebetriebe jeder Art.“

Nur eine von vielen Verbotsnormen infolge des „Corona-Lockdowns“, hier § 4 Abs. 2 der 3. BayIfSMV vom 1.5. 2020. Die Betriebe werden langsam aus der Untätigkeit entlassen, einige müssen noch ausharren. Doch was erhalten die Unternehmer eigentlich als Entschädigung dafür, dass sie eine ernsthafte Existenzgefährdung hinzunehmen haben?

Ob die Verbotsmaßnahmen rechtens waren oder nicht, wird vermutlich in der 2. Jahreshälfte die Rechtsprechung zu klären haben. Die meisten Gerichte positionieren sich in ihren Entscheidungen nicht, sondern verweisen lediglich auf die Prognosen der Virologen, denen die Politik immer noch vornehm den Vortritt lässt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof etwa hielt die 800qm-Regel im Einzelhandel zwar für einen Verstoß gegen Art. 3 GG (Beschl. v. 27.04.2020 – 20 NE 20.793), setzte die Vorschrift aber dennoch nicht außer Vollzug. Bemerkenswert: das Gericht hält eine Verordnung, die noch nter dem Gesetz steht, für verfassungswidrig, tut aber trotzdem nicht das, was das Gesetz von ihm verlangt .

“Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam.”

(§ 47 Abs. 5 S. 2 VwGO)

Das spricht Bände, oder?

Auch wenn also einige gute Gründe für die Rechtswidrigkeit sprechen: natürlich muss sich die Politik bemühen, Gefahr für Leib und Leben der Bürger so gut es geht auszuschließen.

Unser Thema ist daher weniger, ob die getroffenen Schutzmaßnahmen rechtswidrig waren oder nicht. Auch wenn sie rechtmäßig waren, gebührt den Unternehmern als wirtschaftlich Hauptleidtragenden für die ausgebliebenen Einnahmen eine Entschädigung.

Die Behörden meinen, das Infektionsschutzgesetz (IfSG) gebe hierzu keine Grundlage.

Beispielhaft etwa die Thüringer Aufbaubank:

„Wichtiger Hinweis:

Anderweitige Entschädigungen – etwa bei Umsatzeinbußen oder Auftragsausfällen – sind nicht Gegenstand einer Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz und können daher über das Thüringer Landesverwaltungsamt nicht reguliert werden!

Die von Bund, dem Land Thüringen oder Kommunen (Städte und Gemeinden) angeordneten Betriebsschließungen auf der Grundlage von Erlassen oder Allgemeinverfügungen sind regelmäßig keine Quarantäne oder Tätigkeitsverbote i. S. d. Infektionsschutzgesetzes und werden vom Geltungsbereich des § 56 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz grundsätzlich nicht erfasst.“

Es entspricht unseres Erachtens aber nicht nur dem Gebot der Gerechtigkeit, sondern auch der aktuellen Rechtslage, dass es einen solchen Entschädigungsanspruch für denjenigen geben muss, der infolge einer staatlichen Maßnahme ein Sonderopfer für die Allgemeinheit erbringen muss. Der allgemeine Aufopferungsanspruch ist gewohnheitsrechtlich anerkannt und folgt unmittelbar aus Art. 14 GG. Untersagt die Verwaltung des Betriebs eines Gewerbes, liegt darin natürlich ein Eingriff in den durch Art 14 GG geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, der entschädigt werden muss. Die Normen des IfSG sind nicht abschließend, wenn eine Entschädigung verfassungsrechtlich geboten und ganz offensichtlich vom Gesetzgeber bislang nicht hinreichend bedacht wurde. Der Gedanke der Aufopferung ist nicht nur geltendes Recht, er ist auch im besten Sinne gerecht: von Einzelhändlern bis zu Gastronomen und Hoteliers wählt die öffentliche Hand  nicht alle, aber bestimmte Unternehmen aus, die schließen müssen. Gut möglich, dass dies vernünftig und richtig war. Wenn die so Betroffenen der Gemeinschaft aber einen „Solidaritätsdienst“ erweisen, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, dies aber mit Umsatzausfällen in Milliardenhöhe bezahlen, ist es genauso vernünftig und richtig, sie nicht auf ihrem Schaden sitzen zu lassen und diesen vielmehr auf die Schultern der Gemeinschaft, sprich: Steuerzahler gerecht zu verteilen.

Die Entschädigung bezieht sich auf den „Verdienstausfall“ des § 56 IfSG. Gewinnerwartungen fallen jedenfalls dann unter Art. 14 GG, wenn sie hinreichend konkretisiert sind, was anhand der letzten drei BWA, Summen- und Saldenlisten etc. nachzuweisen sein wird.

Wenngleich § 56 IfSG hier nicht, auch nicht analog angewandt wird, sollte rein vorsorglich dennoch die dort stehende Frist beachtet werden: die Anträge sind gem. § 56 Abs. 11 S. 1 IfSG innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende der Absonderung bei der zuständigen Behörde zu stellen.

Dies wäre im Zweifel der 24. Juni 2020.

Allerdings: um solche Ansprüche geltend zu machen, müssen zuvor die Rechtsbehelfe gegen die beeinträchtigenden Maßnahmen selbst eingelegt wurden (Vorrang des Primärrechtsschutzes), und zwar sowohl als Eilrechtsschutz als auch in der Hauptsache. Im deutschen Recht ist es nicht möglich, eine hoheitliche Maßnahme zu dulden, und erst dann die Hand aufzuhalten.

Klingt kompliziert? Ist es wohl auch.

Sprechen Sie uns an! Wir sorgen für Durchblick!

Thema: Allgemein | Kommentare (0) | Autor: