IT-Recht: Muss Webdesigner Urheberrechte prüfen?

Ein Urteil des AG Oldenburg (Urt. v. 17.04.2015 – 8 C 8028/15) schreckt im Moment die Webdesigner der Republik auf: dieses hat entschieden, dass der Webdesigner, der Materialen von seinem Auftraggeber, v.a. Fotografien, erhalten hat, Urheberrechte Dritter daran zu prüfen habe. Komme er dieser Prüfungspflicht nicht nach, hafte er neben dem Auftraggeber auf Schadensersatz.

Der Fall

Der verklagte Webdesigner hatte für die Betreibergesellschaft einer Seniorenresidenz eine Webseite erstellt. Diese schickte ihm einen Kartenausschnitt als Bild, das er unter der Rubrik “Anfahrt” einfügen sollte, was er ungeprüft tat. Es kam, wie es kommen mußte: die Betreiberin der Seniorenresidenz erhielt eine Abmahnung von der Urheberin, einer Kartographie-Firma, die Schadenersatz verlangte. Die abgemahnte Betreibergesellschaft zahlte und verklagte sodann den Webdesigner auf Erstattung des gezahlten Betrages.

Das Urteil

Webdesigner und Auftraggeber haften als Gesamtschuldner

Das Amtsgericht Oldenburg entschied, der Webdesigner habe der Klägerin die Hälfte des gezahlten Schadenersatzes zu erstatten. Beide, sowohl die Klägerin als auch der Beklagte, hätten hier Urheberrechte der Kartenfirma  verletzt und seien dieser als als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet. Nachdem die Klägerin vollständig gezahlt hatte, könne sie vom Beklagten gemäß § 426 BGB die Hälfte im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs erstattet verlangen.

Nicht strittig kann sein, dass der Kartenausschnitt ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG darstellt. Dies folgt der gängigen Rechtsprechung (s. nur KG Berlin, Beschl. v. 19.12.2003 – 5 W 367/03OLG Hamburg, Beschl. v. 10.03.2004 – 5 W 3/04). Die Klägerin hat auch fahrlässig dieses Urheberrecht verletzt, denn sie muss selber prüfen, ob sie dieses verwenden darf oder fremde Urheberrechte berührt sind. Keineswegs kann sie sich mit dem Hinweis entlasten, der Beklagte habe dies zu tun.

Verletzung einer “wesentlichen Vertragspflicht”

Aber, und das ist neu: der beklagte Webdesigner haftet ebenfalls für diese Urheberrechtsverletzung. Er selber schulde im Rahmen eines Werkvertrages nach § 631 BGB ein mangelfreies Werk. Mangelfrei sei es aber nur, wenn es keine Urheberrechtsverletzungen beinhalte.  Somit habe der Webdesigner als “wesentliche Vertragspflicht” bestehende Urheberrechte am überlassenen Fotomaterial zu prüfen und könne sich nicht darauf verlassen, seine Auftraggeberin habe dies schon getan. Er habe nämlich auf den ersten Blick erkennen müssen, dass die Karte von einem Dritten stamme.

Kein Haftungsausschluß durch AGB

Noch wichtig: Der Webdesigner könne sich nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) von der Haftung wegen Verletzung dieser Hinweispflicht freizeichnen, weil die Hinweispflicht eben eine “wesentliche Vertragspflicht” sei, die wegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht in AGB abbedungen werden könne.

Kritik

M.E. überspannt das AG Oldenburg die Pflichten des Webdesigners arg: dieser kann keine “wesentliche Vertragspflicht” verletzen, wenn die Verletzung gerade auf dem “Mitbringsel” des Auftraggebers beruht. Der Webdesigner schuldet eine Webseite, die funktioniert, den angesprochenen Personenkreis anspricht und ggf. auch leicht über die einschlägigen Suchmaschinen gefunden werden kann. Die juristische Beratung zur Zulässigkeit von Inhalten schuldet er gewiß nicht, dies sollte dem hierfür zuständigen fachkundigen Personenkreis überlassen bleiben, auch wenn Auftraggeber die sich ergebenden Extrakosten gern vermeiden wollen. Denn dies würde zu einer ausufernden Dauerhaftung führen, die sich auf jeden einzelnen gesetzten Link, eine ständig wechselnden rechtlichen Anforderungen unterliegende Gestaltung von Impressum, Datenschutzerklärung etc und am Ende gar die Überprüfung auf die Verwendung markenrechtlich geschützter Begriffe ausstreckt.

Auch liegt keine Gesamtschuld vor, vielmehr ist der Fall vergleichbar mit der sog. “Verletzerkette”, die der BGH im Fall “Tripp-Trapp-Stuhl”angesprochen hat, in der mehrere Lieferanten innerhalb einer Lieferkette nacheinander urheberrechtliche Nutzungsrechte verletzt hatten. Hier liegt infolge der Nachrangigkeit gerade keine Gesamtschuld vor (BGH, Urt. v. 14.05.2009 – I ZR 98/06), weshalb auch im Innenverhältnis kein Gesamtschuldnerausgleich in Betracht kommt.

Hinweis für die Praxis

Dieser Fall, dass Webdesigner gerade Fotographien des Auftraggebers auf der Webseite verwendet, kommt häufig vor. Muss der Webdesigner jetzt zu jedem Foto einen expliziten Hinweis erteilen, dass es zu urheberrechtlichen Verwicklungen kommen könnte? Dies dürfte seinem Geschäft mittelfristig den Garaus machen.

Das Urteil des AG Oldenburg ist noch nicht rechtskräftig. Mit diesem muss der Webdesigner zwar zunächst leben. Doch gibt es wie gesehen gute Argumente, die gegen seine Hinweispflicht und Haftung im Unterlassungsfall sprechen. Ein Webdesigner sollte jedoch die typischen Stolperfallen kennen und bei seinen Auftraggebern explizit ansprechen. Hier zahlt sich die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Rechtsanwalt am Ende immer aus.

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Datum: Mittwoch, 14. Oktober 2015 17:01
Allgemein

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