Verkehrsrecht: Unfallflucht geht nur vorsätzlich
Die Unfallflucht ist ein umstrittener Straftatbestand. In der Öffentlichkeit überwiegt der Eindruck, dass sie fast härter als Körperverletzungsdelikte verfolgt wird, obgleich der Praktiker weiß, dass der Unfallflüchtige weniger aus Rücksichtslosigkeit handelt, sondern einfach menschlich versagt. Auf der anderen Seite kennen wir wohl alle das bedröppelte Gefühl, zu unserem geparkten Wagen zurückzukehren und eine frische Macke, oder mehr, vorzufinden, ohne zu wissen, wer uns diesen Gruß hinterlassen hat.
Umso schöner, wenn sich jemand bei uns meldet, der den Vorfall beobachtet hat. Dies führt meistens dazu, dass wir unseren Schaden ersetzt bekommen.
Aber ist der andere auch strafbar?
Wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort kann nach §§ 142, 15 StGB nur bestraft werden, wer vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Täter muss erkannt oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass er einen Gegenstand oder Menschen angefahren und einen nicht völlig bedeutungsloser Schaden verursacht hat. Fahrlässigkeit reicht nicht aus. Es genügt also gerade nicht, dass sich dem Kraftfahrer die Vermutung aufgedrängt hat, er habe einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht; er muss Kenntnis hiervon haben. Kann das Gericht ihm dies nicht nachweisen, hat er höchstens fahrlässig gehandelt und ist nicht nach § 142 StGB zu bestrafen.
Dies ist häufig bei einem Bagatellschaden der Fall, wo das eine Auto das andere nur touchiert hat und vielleicht nur ein Farbabrieb zu sehen ist.
Eine neue Entscheidung des Kammergerichts (KG, Beschl. v. 08.07. 2015 – (3) 121 Ss 69/15 (47/15) stellt noch einmal klar, dass das Gericht nicht einfach vom äußeren Tatgeschehen auf die innere Motivation des Angeklagten schließen darf. Anders ausgedrückt: selbst wenn ein Zeuge einen “Knall” gehört haben will, muss diesen der Flüchtige noch lange nicht gehört haben, v.a. dann nicht, wenn er das Fenster geschlossen und das Radio an hatte. Das KG schreibt dem Amtsgericht, das den Angeklagten verurteilt hatte, klar und deutlich ins Stammbuch, dass sich floskelhafte Ausführungen im Urteil, für den Angeklagten müsse “erkennbar gewesen” sein, dass er einen nicht unerheblicher Schaden verursacht habe, eigentlich verbieten.
Wie kann man einen Anstoß überhaupt wahrnehmen?
Es gibt drei Arten der Wahrnehmbarkeit, die ich in meinem Buch zum “Straßenverkehrsstrafrecht” erläutere. Das Kapitel zur Wahrnehmbarkeit der Unfallflucht kann hier heruntergeladen werden.
Die Praxis zeigt, dass bei Bagatellschäden der Nachweis regelmäßig auch dem beigezogenen Sachverständigen nicht gelingt. Es fragt sich, ob solche Fälle immer angeklagt werden müssen. Zieht der Beschuldigte aber rechtzeitig einen sachkundigen Verteidiger zu Rate, kann dieser oft eine Einstellung des Verfahrens bewirken.