Beiträge vom April, 2015

Verkehrsrecht: Eigenreparatur trotz Totalschaden zulässig?

Mittwoch, 22. April 2015 12:20

Ein erfreuliches Urteil erreichte uns heute aus Duisburg: das dortige Landgericht (Urt. v. 30.1.2015 – 2 O 142/14) hat Folgendes zu Gunsten des Unfallgeschädigten entschieden:

1. Ein Geschädigter darf sein Fahrzeug auch im Totalschadenfall reparieren und weiternutzen und trotzdem auf der Grundlage eines Schadensgutachtens abrechnen und
2. der Versicherer darf in diesem Fall grds. (nur) den Restwert zugrunde legen, den der Gutachter auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Der Fall

Der Kläger hatte einen unverschuldeten Verkehrsunfall erlitten und einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Schadens beauftragt. Dieser ermittelte einen Totalschaden. Der Restwert liege bei 1.500,00 €. Der Kläger rechnete lt. Gutachten beim gegnerischen Haftpflichtversicherer ab und begann mit der Reparatur seines Wagens in Eigenregie.

Zwei Wochen später legte der Versicherer schriftlich ein Restwertangebot über 6.160 Euro aus einer Internet-Restwertbörse vor. Der Kläger nahm dieses nicht an, er wollte seinen Wagen ja weiternutzen. Daraufhin kürzte der Versicherer den Schaden u.a. um 4.660,00 €.

Auf den Hinweis des Klägers, er habe sein Fahrzeug in Eigenregie repariert und nutze dieses weiter, verlangte der Versicherer Nachweise für die Durchführung einer sach- und fachgerechten Reparatur. Eine solche gibt es aber eher in einer Fachwerkstatt, nicht bei einem Hobbybastler. Dieser ließ sich die Kürzungen nicht gefallen und klagte.

Das Problem

Von wirtschaftlichem Totalschaden sprechen wir, wenn der Sachverständige in seinem Gutachten ermittelt hat, dass die Reparaturkosten voraussichtlich und geschätzt höher ausfallen werden als der voraussichtliche Geldbetrag, den der Geschädigte für den Kauf eines vergleichbaren Autos in die Hand nehmen müßte. Dann ist er verpflichtet, den Wagen zum im Gutachten ermittelten Restwert zu verkaufen, diesen vom sog. “Wiederbeschaffungswert” abzuziehen (er hat das Geld ja erhalten) und darf u.a. den Restbetrag beim gegnerischen Haftpflichtversicherer geltend machen (sog. “Wiederbeschaffungsaufwand”) . Will er den Wagen weiternutzen, dürfen die Reparaturkosten auch 130% des Wiederbeschaffungsaufwands ausmachen. Was aber, wenn die Reparaturkosten noch viel höher ausfallen, der Geschädigte den Wagen aber trotzdem repariert? Und was, wenn der Versicherer sich dann endlich meldet, aber plötzlich einen Mitbieter um den Restschrott aus dem Hut zaubert, der mal locker mehr als das 4fache bietet?

Die Entscheidung

Das LG Duisburg folgt zunächst dem BGH und führt klar und deutlich aus, dass der Geschädigte sein Fahrzeug nach dem Unfall in Eigenleistung selbst dann reparieren und weiternutzen darf, wenn es wegen der hohen Kosten eigentlich nicht mehr reparaturwürdig ist. Auch dann kann er seinen Schaden auf Grundlage des Wiederbeschaffungsaufwandes abrechnen:

“Eine andere Regelung würde dem Grundsatz des Schadensersatzrechts zuwiderlaufen, dass der Geschädigte Herr des Restitutionsverfahrens bleiben soll und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie mit der beschädigten Sache zu verfahren ist. Denn anderenfalls könnte der Versicherer des Schädigers den Geschädigten mit einem entsprechend hohen Angebot zum Verkauf des Fahrzeugs zwingen, da der Geschädigte bei Weiternutzung und späterem Verkauf in eigener Regie jedenfalls Gefahr liefe, wegen eines wesentlich niedrigeren Verkaufspreises für den Kauf des Ersatzfahrzeugs eigene Mittel aufwenden zu müssen (BGH Urt. v. 06.03.2007, VI ZR 120/06, Rn. 10- zitiert nach juris).”

Bei der Abrechnung darf der Geschädigte sich auf den vom Sachverständigen ermittelten Restwert in Höhe von mit 1.500 Euro verlassen. Er selber ist Laie und weiß nicht, wo er den Restschrott feilbieten könnte. Wochenlang zu warten, bis der Versicherer mit einem Angebot kommt, muss er nicht, schon gar nicht, wenn sein Restauto beim Abschlepper steht, der schon mit Standgebühren droht und er selber den Restwert dringend braucht, um ein neues Auto zu finanzieren. Laut LG Duisburg ist dies aber auch so, wenn der Geschädigte seinen Wagen repariert, noch ehe das Angebot des Versicherers eintrudelt:

“Grundsätzlich darf der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 BGB seinen erlittenen wirtschaftlichen Totalschaden fiktiv auf Basis des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungswertes abrechnen. Er muss sich gegenüber dem Schädiger jedoch den Restwert des verunfallten Fahrzeuges anrechnen lassen (vgl Beck’scher Onlinekommentar zum BGB. Bearb. Schubert, Stand: 01.03.2014, § 249 Rn. 211). Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Geschädigte dann nicht gegen seine Schadensminderungsobliegenheit gem. § 254 Abs. 2 BGB verstößt, wenn er sein Fahrzeug zu dem in einem von ihm eingeholten Schadensgutachten für den regionalen Markt ermittelten Restwert verkauft. Er ist zur Schadensminderung grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Sondermarkt für Restwertankäufer im Internet in Anspruch zu nehmen und kann vom Schädiger auch nicht auf einen höheren Restwerterlös verwiesen werden, der auf einem solchen Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielt werden könnte (BGH Urt. v. 10.07.2007, VI ZR 217/06, Rn 9 m.w.N.- zitiert nach juris). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr deshalb, weil der Kläger unbestritten sein Fahrzeug repariert hat, bevor ihm die entsprechenden Restwertangebote der Beklagten zugegangen sind.”

Konsequenzen für die Praxis

Wir empfehlen ohnehin: nach Verkehrsunfall SOFORT zum Anwalt!

Bei der Schadensregulierung in eigener Sache drohen empfindliche Verluste dadurch, dass man sich auf den gegnerischen Versicherer verläßt.  Aber wie der Name schon sagt: das ist der Gegner! Der will sparen, wo es nur geht.

Darüber hinaus stellt das LG Duisburg hier einmal mehr den besonderen Vertrauensschutz heraus, den der Unfallgeschädigte hat. Verkauft er den Wagen noch bevor er Kenntnis des höheren Restwertangebotes des Versicherers erhält oder beginnt er schon zuvor mit der Reparatur in Eigenregie, braucht er sich auf das Angebot nicht einzulassen. Die Praxis zeigt, dass immer noch viele Versicherer dem Geschädigten auch Wochen nach dem Unfall fast unrealistisch hohe Restwertangebote vorhalten. Wer hier nicht spätestens zum Anwalt geht, verliert viel Geld.

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IT-Recht: Darf WhatsApp meine Bilder für Werbung nutzen?

Sonntag, 12. April 2015 23:46

Immer wieder werde ich gefragt, ob es stimmt, was regelmäßig durch Facebook geistert:

“WhatsApp kann all Eure geteilten Inhalte, Texte und Bilder, an Dritte weitergeben und sogar zu Werbezwecken verkaufen. Ihr findet vielleicht ein Foto Eures Kindes auf Werbeplakaten und könnt nichts dagegen tun. Oder Euch droht eine teure Abmahnung, wenn Ihr Bilder weiterversendet, die dann woanders auftauchen.”

Stimmt das? Zunächst mal: die Meldung ist ein Jahr alt, ohne dass in der Zwischenzeit da ein Fall bekannt geworden wäre. Die AGB von Whatsapp stammen aus dem Jahr 2012. Ist das alles wirklich erst jetzt aufgefallen?

Und ja, es stimmt: Wer WhatsApp nutzen will, muss per Klick deren AGB zustimmen (https://www.whatsapp.com/legal). Keiner liest die, klar. Dort findet sich aber in Ziff 5 B. ii. die Regelung, dass WhatsApp alle Rechte an den Inhalten der Nutzer erhält, also an Texten und Bildern. Nach deutschem Recht wäre die Nutzung zu Werbezwecken grotten-rechtswidrig. WhatsApp gehört aber zu Facebook und gilt amerikanischem Recht, allenfalls irisches Recht, weil die für Europa zuständige Facebook Inc. in Irland ist. Wer einmal versucht hat, von FB seine Daten zu erhalten, weiß, was das heißt. Also grundsätzlich scheint diese Möglichkeit nicht soooo weit entfernt zu sein .

Was nun? Zu Threema wechseln? Gemach! Lesen wir die AGB an der fraglichen Stelle einmal genau! Meiner Meinung nach beansprucht WhatsApp die Nutzungsrechte (nur) am Profilfoto und der Statusmeldung, um diese überhaupt öffentlich anzeigen zu können. Diese Rechte erlöschen, sobald der Nutzer sein Profilbild oder den Status löscht. Die Rechte an an andere Personen gesendeten Texten oder Bildern sollen gerade nicht eingeschlossen sein: Whatsapp schreibt ausdrücklich, dass solche Medien ausschließlich der Empfänger sehen kann. Dies schließt m.E. schon wörtlich ausdrücklich aus, dass etwa an die beste Freundin gesendete Urlaubsfotos auf Werbeplakaten zu sehen sein können.

Und wenn dies doch passiert? Mit oder ohne AGB, die sich ja auch von jetzt auf gleich ändern lassen? Dann hat der Nutzer zugegeben das reichlich stumpfe Schwert, gerichtlich in Deutschland gegen WhatsApp vorzugehen. Vermutlich erhält er sogar nicht nur ein Urteil, sondern Recht. Aber das Urteil ist dann im Ausland nicht vollstreckbar, und alles bleibt beim Alten.

Meine Meinung: im Moment ist dies alles weit entfernt. Wer Facebook, WhatsApp & Co ohnehin mißtraut, sollte Abstand nehmen. Alle anderen sind sich der Risiken der “neuen sozialen Netzwerke” trotzdem bewußt. Und nutzen sie verantwortungsvoll. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema 🙂

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