Beiträge vom März, 2017

Vertragsrecht: Knöllchen für zu langes Parken bei Aldi? Widerspruch lohnt!

Montag, 27. März 2017 18:45

Teurer Einkauf verärgert Kunden“, „Knöllchen für Dauerparker“ oder „Abzocke auf Parkplätzen“, waren nur einige der vielen Schlagzeilen zuletzt in der Zeitung, die alle ein neuartiges Phänomen beschreiben: die Parkplatzkontrolle von Supermärkten durch private Unternehmen. Um „Knöllchen“, also Bußgelder, geht es freilich gar nicht. Private dürfen gar keine Strafzettel verteilen.

Was ist das Problem? Supermärkte bauen teure Parkplätze, die sie ihren Kunden kostenfrei zur Verfügung stellen. Um dann mitansehen zu müssen, wie Fremdparker, nicht selten gar tagelange Berufsparker diese in Beschlag nehmen und die eigenen Kunden oft keinen Parkplatz mehr finden.

Was tun? Die „fair parken GmbH“ aus Düsseldorf weiß Rat: sie „pachtet“ das Parkplatzgelände und stellt Schilder wie dieses auf:

Wer dann dort parkt und seine Parkscheibe vergisst oder gar nicht auf die Schilder achtet, weil der Parkplatz eh wieder voll ist und die volle Konzentration der Parkplatzsuche gilt oder seine Parkdauer um wenige Minuten überschreitet, der erhält einen „Strafzettel“ hinter die Windschutzscheibe geklemmt, dass und wohin die 19,90€ zu überweisen sind. Kommt der Fahrer, der nach einem stressigen Einkauf perplex zum Wagen zurückkehrt, dem nicht nach, erhält der Fahrzeughalter dann etwa vier Wochen später einen Brief, der ihm nicht nur diese Kosten auferlegt, sondern gleich noch die Kosten der Halterabfrage, Mahngebühren, Inkassokosten, „Kosten der Abschleppvorbereitung“ und dergleichen mehr. So kann es kommen, dass der Kauf einer Tafel Schokolade bei Aldi 60 € und mehr kosten kann.

Darf Aldi den Parkplatz überhaupt von einem privaten Unternehmen überwachen lassen? Ja, das darf jeder Eigentümer mit seinem Eigentum so halten.

Müssen Sie dies zahlen? In vielen Fällen nicht.

Wie gesagt, es handelt sich nicht um ein Bußgeld, sondern eine Vertragsstrafe. Die aber nur dann fällig wird, wenn ich überhaupt einen Vertrag geschlossen habe. Nun gut, einfach auf den Parkplatz fahren und sagen: „ich will mit euch Dampfnasen gar keinen Vertrag schließen“, reicht nicht, hat der BGH im legendären „Hamburger Parkplatzfall“ schon 1956 entschieden. Das Schild „Parken nur mit Parkscheibe, ohne Parkscheibe oder bei Überschreiten der Höchstparkzeit von einer Stunde 19.90 € Vertragsstrafe“ ist nichts anderes als ein Vertragsangebot. Wer das Schild sieht und weiterfährt, hat durch schlüssiges Verhalten einen Vertrag über die Parkplatznutzung geschlossen. Wer es nicht sieht, weil es schlecht steht, nicht gleich ins Auge fällt oder die Schrift zu klein ist, hat im Zweifel keinen Vertrag geschlossen. Aber, Vorsicht Schutzbehauptung: Wer es sehen müsste und lediglich behauptet, es nicht gesehen zu haben, kommt damit in aller Regel nicht durch. Es genügt die Möglichkeit, sich in zumutbarer Weise Kenntnis zu verschaffen, § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Das heißt: der Fahrer, der einfährt, muss das Schild nicht “auf einen Blick” erfassen, aber er hat zur Not  noch einmal hinzugehen, um sich vollständig zu informieren. Das LG Kaiserslautern (Urt. v. 27.10.2015 – 1 S 53/15) etwa hatte zuletzt „keinen Zweifel“, dass das, was auf dem Schild steht, als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ Vertragsbestandteil wird.

Und wenn der Halter gar nicht gefahren ist? Dann kann er auch keinen Vertrag geschlossen haben. Die „Halterhaftung“ gilt nur bei Verkehrsunfällen und eine Vollmacht, für mich Parkplatzverträge abzuschließen, habe ich meinem Filius nicht automatisch gegeben, wenn ich ihm meinen Wagen anvertraue. Das bedeutet: kann mir nicht nachgewiesen werden, dass ich gefahren bin, hafte ich auch nicht (auch das hat das LG Kaiserslautern entschieden).

Und wenn ich zahlen muss, muss ich alles zahlen? An den 19,90 € kommen Sie vielleicht nicht vorbei, wenn es aber 25 oder 30 € sein sollen, dürfte dies überhöht sein, wenn die Stadt sich mit 10 € begnügt. Dann ist der Vertrag insgesamt unwirksam, sie müssen nicht bezahlen. Alle anderen Posten zur wundersamen Forderungsvermehrung können Sie vergessen, denn diese haben Sie nicht veranlasst. Dass die Gegenseite eine „Halterabfrage“ macht, geht nicht zu Ihren Lasten, sie hätte halt warten müssen, um sie am Fahrzeug zu stellen. Mahngebühren oder Inkassokosten kommen erst in Betracht, wenn eine Rechnung vorliegt, die nicht bezahlt wird. Und ich kenne kein Gericht, dass „Kosten der Abschleppvorbereitung“ zugesprochen hätte.

Fazit:

Wer Beträge zwischen 30 und 60 Euro fordert, spekuliert darauf, dass der Betroffene anstandslos bezahlt, ohne einen Anwalt zu bemühen, dessen Honorar höher liegen wird als die Forderung, um die gestritten wird. Und der Rechtsschutzversicherer wird sich zunächst mal weigern, Kosten zu übernehmen, denn der „ruhende Verkehr“ ist grds. nicht versichert. Dies wissen die Parkplatzbetreiber natürlich. Ich schreibe diesen Beitrag, damit Sie sich auch ohne Anwalt wehren können, wenn Sie Post von der „fair parken GmbH“ bekommen.

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Verkehrsrecht: Geschwindigkeitsmessung durch Private – nicht alles ist erlaubt.

Montag, 27. März 2017 18:41

Geschwindigkeitsmessung durch Private – nicht alles ist erlaubt

aus: Verkehrsdienst Heft 3/17

Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns. V.a. Geschwindigkeitsmessungen im Rahmen der Verkehrsüberwachung stellen nach § 26 Abs. 1 StVG eine ureigene hoheitliche Aufgabe dar. Bedienen sich Kommunen hierbei der Hilfe externer privater Dienstleister, stellt sich die Frage nach der Verwertbarkeit solcher Messungen. Umstritten sind insb. jüngst durch ein Privatunternehmen in vielen Städten installierte Blitzersäulen, welche gar unter Gewinnbeteiligung durch den Hersteller betrieben werden.

Keine Verfolgung durch Privatpersonen

Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Private ist zu unterscheiden, ob ein lediglich im Privateigentum befindliches Geschwindigkeitsmessgerät gemietet oder geleast oder ob dieses auch vom Vermieter bzw. Leasinggeber betrieben wird. Ersteres begegnet keinen Bedenken, solange die Betriebsanleitungen des Herstellers beachtet werden, die Auswertung aber von den Messbeamten vorgenommen wird. Nach einhelliger Meinung nicht zulässig dagegen ist der Einsatz von Privatpersonen bei der Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen. Diese darf weder ausdrücklich noch faktisch Privaten übertragen werden (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NStZ-RR 2016, 185; OLG Naumburg, Beschl. v. 07.05.2012 – 2 Ss (Bz) 25/12, n.v.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816). Nur das OLG Rostock (Beschl. v. 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15 (B), DRsp Nr. 2015/20415), hat jüngst entschieden, dass die vertraglich vereinbarte Auswertung der mit standardisierten Messverfahren bei behördlichen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen ordnungsgemäß erhobenen und bei der Verwaltungsbehörde verbliebenen Rohmessdaten durch einen privaten Dienstleister zulässig sein soll. Zweifel an der Richtigkeit der Messung habe der Tatrichter durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären.

Behörde muss Herrin des Verfahrens bleiben

Unstrittig ist damit: Die Übertragung von Geschwindigkeitsmessungen auf private Unternehmen ohne Kontrollmöglichkeit ist unzulässig. Die Behörde muss „Herrin des Verfahrens“ bleiben (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NStZ-RR 2016, 185; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816). Ist der private Dritte allerdings im Rahmen eines „Leiharbeitsverhältnisses“ (BayObLG, Beschl. v. 17.02.1999 – 2 ObOWi 751/98, VRS 97, 62) oder arbeitsvertraglich (OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.03.2009 – 2 SsBs 42/09, NZV 2010, 163) in die Gemeinde integriert, so bleibt die Kommune „Herrin des Verfahrens“ und die Messung verwertbar.

Zulässiges Hinzuziehen von Privaten

Verbleibt die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel bei der örtlichen Ordnungsbehörde, ist es unschädlich, wenn sie sich hierbei der Hilfe durch Privatpersonen bedient. Die örtliche Ordnungsbehörde hat hierbei sicherzustellen, dass die verwendeten Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte und die Auswertung von deren Daten den gesetzlichen Regelungen, insb. § 23 MessEV und § 24 MessEV i. V. m. § 46 MessEG entsprechen. Der Messbeamte als Verwender des Messgerätes hat sich in alleiniger Verantwortung vom ordnungsgemäßen Aufbau der Messanlage zu überzeugen, vorgeschriebene Funktionsprüfungen vorzunehmen und die Messung durchzuführen. Die Auswertung der Beweismittel, v.a. der Falldateien, die im Rahmen der Messung erfasst werden, des Messprotokolls und der Messskizze, sowie insbesondere die Entscheidung, ob und wie ein festgestellter Verkehrsverstoß verfolgt wird, ist hoheitliche Aufgabe und nicht delegierbar (OLG Frankfurt/M, Beschl. v. 28.04.2016, 2 Ss-OWi 190/16, NJW 2016, 3318). Ist die Authentizität der Falldateien sichergestellt, d.h. das in der Bußgeldakte befindliche lesbare und bewertbare Beweismittel muss aus der dazugehörigen Falldatei stammen, ist die Messung verwertbar. So ist lt. Rspr. unschädlich

  • die Prüfung der Position des Auswerterahmens auf den Fotodateien zum Zweck des Ausscheidens unbrauchbarer Bilder durch den privaten Dienstleister, sofern die Messung behördlich veranlasst und der Auswerterahmen korrekt im Foto justiert ist (OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816);
  • die Entnahme der Messrohdaten durch einen privaten Mitarbeiter, der sodann die Bildaufbereitung übernimmt und diese der Behörde zur weiteren Verwendung wieder überlässt, sofern die Auswertung der Falldatei durch die Ordnungsbehörde nachgeholt werden kann (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NZV 2016, 591).

Beweisverwertungsverbot

Beauftragen Ordnungsbehörden private Unternehmer mit der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten, stellt sich die Frage, ob Beweise überhaupt auf diese Art erhoben werden dürfen oder einem Verwertungsverbot unterliegen.

Einem Beweiserhebungsverbot folgt nach dem OLG Frankfurt (Beschl. v. 10.05.1995 – 2 Ws (B) 210/95 OWiG, DAR 1995, 335) und dem OLG Naumburg (Beschl. v. 07.05.2012 – 2 Ss (Bz) 25/12) zugleich auch ein Beweisverwertungsverbot, wenn die kommunale Ordnungsbehörde die fehlende Sachkunde des öffentlich Bediensteten bei der Messung kannte. Nach dem OLG Jena, Urt. v. 25.11.2008 – 1 Ss 230/08, DAR 2009, 283, ist das Beweiserhebungsverbot zu trennen vom Beweisverwertungsverbot. Aus einer rechtswidrigen Messung folge nicht in jedem Fall auch ein Beweisverwertungsverbot für das so gefundene, ansonsten technisch ordnungsgemäße Messverfahren. Es müsse eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit – eine Durchsetzung der Verkehrsvorschriften und Sicherstellung der Verkehrssicherheit einerseits – und andererseits dem Individualinteresse erfolgen. Nach dieser Auffassung besteht nur dann ein Beweisverwertungsverbot, wenn willkürlich oder unter bewusster Missachtung der geltenden Vorschriften das Beweisergebnis gewonnen wurde Das OLG Hamm (Beschl. v. 02.11.2010 – III-3 RVs 93/10, BeckRS 2010, 29288) steht auf dem Standpunkt, dass sich ein Beweisverwertungsverbot ergebe, je mehr das Verfahren der Geschwindigkeitsmessung in die Grundrechte des Betroffenen eingegriffen habe. Generell wird gelten: War Ziel der Messung die Aufrechterhaltung und Besserung der Verkehrsdisziplin, ist dies als Ziel beachtlich und gibt den Ausschlag. Ein Verstoß hiergegen kann aber mitunter zur Einstellung des Verfahrens bzw. zur Herabsetzung des Bußgeldes führen.

Praxistipp:

Das Thema ist insgesamt noch sehr „im Fluss“ und sollte sorgfältig beobachtet werden. Die Rspr. der OLGs tendiert ersichtlich in die Richtung, einzelne Tätigkeiten Privater im Ermittlungsverfahren als unproblematisch anzusehen, solange diese keinen Einfluss auf Messung und Messergebnis haben (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NStZ-RR 2016, 185; OLG Rostock, 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15 (B), DRsp Nr. 2015/20415; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816).

 

 

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