Verkehrsrecht: Geschwindigkeitsmessung durch Private – nicht alles ist erlaubt.

Geschwindigkeitsmessung durch Private – nicht alles ist erlaubt

aus: Verkehrsdienst Heft 3/17

Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns. V.a. Geschwindigkeitsmessungen im Rahmen der Verkehrsüberwachung stellen nach § 26 Abs. 1 StVG eine ureigene hoheitliche Aufgabe dar. Bedienen sich Kommunen hierbei der Hilfe externer privater Dienstleister, stellt sich die Frage nach der Verwertbarkeit solcher Messungen. Umstritten sind insb. jüngst durch ein Privatunternehmen in vielen Städten installierte Blitzersäulen, welche gar unter Gewinnbeteiligung durch den Hersteller betrieben werden.

Keine Verfolgung durch Privatpersonen

Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Private ist zu unterscheiden, ob ein lediglich im Privateigentum befindliches Geschwindigkeitsmessgerät gemietet oder geleast oder ob dieses auch vom Vermieter bzw. Leasinggeber betrieben wird. Ersteres begegnet keinen Bedenken, solange die Betriebsanleitungen des Herstellers beachtet werden, die Auswertung aber von den Messbeamten vorgenommen wird. Nach einhelliger Meinung nicht zulässig dagegen ist der Einsatz von Privatpersonen bei der Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen. Diese darf weder ausdrücklich noch faktisch Privaten übertragen werden (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NStZ-RR 2016, 185; OLG Naumburg, Beschl. v. 07.05.2012 – 2 Ss (Bz) 25/12, n.v.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816). Nur das OLG Rostock (Beschl. v. 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15 (B), DRsp Nr. 2015/20415), hat jüngst entschieden, dass die vertraglich vereinbarte Auswertung der mit standardisierten Messverfahren bei behördlichen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen ordnungsgemäß erhobenen und bei der Verwaltungsbehörde verbliebenen Rohmessdaten durch einen privaten Dienstleister zulässig sein soll. Zweifel an der Richtigkeit der Messung habe der Tatrichter durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären.

Behörde muss Herrin des Verfahrens bleiben

Unstrittig ist damit: Die Übertragung von Geschwindigkeitsmessungen auf private Unternehmen ohne Kontrollmöglichkeit ist unzulässig. Die Behörde muss „Herrin des Verfahrens“ bleiben (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NStZ-RR 2016, 185; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816). Ist der private Dritte allerdings im Rahmen eines „Leiharbeitsverhältnisses“ (BayObLG, Beschl. v. 17.02.1999 – 2 ObOWi 751/98, VRS 97, 62) oder arbeitsvertraglich (OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.03.2009 – 2 SsBs 42/09, NZV 2010, 163) in die Gemeinde integriert, so bleibt die Kommune „Herrin des Verfahrens“ und die Messung verwertbar.

Zulässiges Hinzuziehen von Privaten

Verbleibt die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel bei der örtlichen Ordnungsbehörde, ist es unschädlich, wenn sie sich hierbei der Hilfe durch Privatpersonen bedient. Die örtliche Ordnungsbehörde hat hierbei sicherzustellen, dass die verwendeten Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte und die Auswertung von deren Daten den gesetzlichen Regelungen, insb. § 23 MessEV und § 24 MessEV i. V. m. § 46 MessEG entsprechen. Der Messbeamte als Verwender des Messgerätes hat sich in alleiniger Verantwortung vom ordnungsgemäßen Aufbau der Messanlage zu überzeugen, vorgeschriebene Funktionsprüfungen vorzunehmen und die Messung durchzuführen. Die Auswertung der Beweismittel, v.a. der Falldateien, die im Rahmen der Messung erfasst werden, des Messprotokolls und der Messskizze, sowie insbesondere die Entscheidung, ob und wie ein festgestellter Verkehrsverstoß verfolgt wird, ist hoheitliche Aufgabe und nicht delegierbar (OLG Frankfurt/M, Beschl. v. 28.04.2016, 2 Ss-OWi 190/16, NJW 2016, 3318). Ist die Authentizität der Falldateien sichergestellt, d.h. das in der Bußgeldakte befindliche lesbare und bewertbare Beweismittel muss aus der dazugehörigen Falldatei stammen, ist die Messung verwertbar. So ist lt. Rspr. unschädlich

  • die Prüfung der Position des Auswerterahmens auf den Fotodateien zum Zweck des Ausscheidens unbrauchbarer Bilder durch den privaten Dienstleister, sofern die Messung behördlich veranlasst und der Auswerterahmen korrekt im Foto justiert ist (OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816);
  • die Entnahme der Messrohdaten durch einen privaten Mitarbeiter, der sodann die Bildaufbereitung übernimmt und diese der Behörde zur weiteren Verwendung wieder überlässt, sofern die Auswertung der Falldatei durch die Ordnungsbehörde nachgeholt werden kann (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NZV 2016, 591).

Beweisverwertungsverbot

Beauftragen Ordnungsbehörden private Unternehmer mit der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten, stellt sich die Frage, ob Beweise überhaupt auf diese Art erhoben werden dürfen oder einem Verwertungsverbot unterliegen.

Einem Beweiserhebungsverbot folgt nach dem OLG Frankfurt (Beschl. v. 10.05.1995 – 2 Ws (B) 210/95 OWiG, DAR 1995, 335) und dem OLG Naumburg (Beschl. v. 07.05.2012 – 2 Ss (Bz) 25/12) zugleich auch ein Beweisverwertungsverbot, wenn die kommunale Ordnungsbehörde die fehlende Sachkunde des öffentlich Bediensteten bei der Messung kannte. Nach dem OLG Jena, Urt. v. 25.11.2008 – 1 Ss 230/08, DAR 2009, 283, ist das Beweiserhebungsverbot zu trennen vom Beweisverwertungsverbot. Aus einer rechtswidrigen Messung folge nicht in jedem Fall auch ein Beweisverwertungsverbot für das so gefundene, ansonsten technisch ordnungsgemäße Messverfahren. Es müsse eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit – eine Durchsetzung der Verkehrsvorschriften und Sicherstellung der Verkehrssicherheit einerseits – und andererseits dem Individualinteresse erfolgen. Nach dieser Auffassung besteht nur dann ein Beweisverwertungsverbot, wenn willkürlich oder unter bewusster Missachtung der geltenden Vorschriften das Beweisergebnis gewonnen wurde Das OLG Hamm (Beschl. v. 02.11.2010 – III-3 RVs 93/10, BeckRS 2010, 29288) steht auf dem Standpunkt, dass sich ein Beweisverwertungsverbot ergebe, je mehr das Verfahren der Geschwindigkeitsmessung in die Grundrechte des Betroffenen eingegriffen habe. Generell wird gelten: War Ziel der Messung die Aufrechterhaltung und Besserung der Verkehrsdisziplin, ist dies als Ziel beachtlich und gibt den Ausschlag. Ein Verstoß hiergegen kann aber mitunter zur Einstellung des Verfahrens bzw. zur Herabsetzung des Bußgeldes führen.

Praxistipp:

Das Thema ist insgesamt noch sehr „im Fluss“ und sollte sorgfältig beobachtet werden. Die Rspr. der OLGs tendiert ersichtlich in die Richtung, einzelne Tätigkeiten Privater im Ermittlungsverfahren als unproblematisch anzusehen, solange diese keinen Einfluss auf Messung und Messergebnis haben (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NStZ-RR 2016, 185; OLG Rostock, 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15 (B), DRsp Nr. 2015/20415; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816).

 

 

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Autor:
Datum: Montag, 27. März 2017 18:41
Allgemein

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