Familienrecht: „Online-Scheidung“? Nicht mit uns!
Frage:
Ich habe im Internet gesehen, dass Anwälte zunehmend eine „Online-Scheidung ohne Anwaltsbesuch“ anbieten. Was verbirgt sich dahinter und ist so etwas ratsam?
Antwort:
Zunächst: Eine „Online-Scheidung“ gibt es nicht. Rechtsanwälte, die mit dem Begriff „Online-Scheidung“ werben, stellen auf ihrer Internetseite Onlineformulare bereit, die Sie auszufüllen haben, damit die Mindestdaten bekannt sind, die im Scheidungsantrag genannt werden müssen. Eine Beratung über die sich möglicherweise stellenden Fragen im Zusammenhang mit der Scheidung ist nicht vorgesehen.
Die Beratung in familienrechtlichen Sachen ist aber zumeist kompliziert. Der Mandant, der geschieden werden will, hat häufig hohen Beratungsbedarf, er stellt Fragen, die ich nur im persönlichen Gespräch ohne Zeitdruck beantworten kann und möchte. Ergeben sich Unterhaltspflichten des Ehegatten oder gemeinsamer Kinder? Wie gestaltet sich der Versorgungsausgleich, die Auseinandersetzung des Vermögens, Hausrats etc. Dies alles am Telefon oder, noch schlimmer, fünf Minuten vor dem Termin „besprechen“ zu wollen, stellt die Dinge auf den Kopf. In einem ersten Beratungsgespräch in der Kanzlei gebe ich Ihnen einen Überblick über die Folgen von Trennung und Scheidung und können wir klären, was genau wie zu regeln sein wird.
Dass eine „Online-Scheidung“ für den Mandanten riskant und für den Anwalt haftungsträchtig sein kann, zeigt der Fall des Landgerichts Berlin (Urt. v. 5.6.2014 – 14 O 395/13): dort schloss der „Online-Scheidungsanwalt“ – wie die Mandantin später behauptete – ohne vorherige Besprechung einen Vergleich, der Versorgungsausgleich und nachehelichen Unterhalt ausschloss. Das LG Berlin befand zunächst in erfrischender Klarheit:
„Der erkennende Richter hält es für grundsätzlich pflichtwidrig und fehlerhaft, allein aufgrund eines solchen Scheidungsformulars im Internet oder aufgrund einer telefonischen Rücksprache von einem bestimmten Sachverhalt auszugehen und die weitere Beratung auf diesen Sachverhalt zu beschränken, wenn der Mandant Vorgaben gemacht hat, die in den Formular oder in dem Telefonat geäußert werden. Die Tätigkeit des Anwalts ist schon nach den o.g. Anforderungen an die Beratung verantwortungsvoller und lässt sich weder in einem Telefonat erledigen noch durch ein Onlineformular ersetzen. Es erscheint von vornherein verfehlt, auf der Homepage mit einer Ehescheidung „ohne Anwaltsbesuch zu den geringstmöglichen Kosten von Fachanwälten“ zu werben.“
Die Verwendung eines Formulars entbindet Rechtsanwälte demnach nicht von ihren Beratungspflichten. Da diese bei Internetmandaten naturgemäß eher zu kurz kommen, liegen Fehler nahe und führen dazu, dass der Anwalt einen „Kunstfehler“ begeht, dessen nachteilige Folgen er der – ehemaligen – Mandantin zu ersetzen hat.
Deshalb bieten wir keine Online-Scheidung an!