Beiträge vom Mai, 2015

Verwaltungsrecht: „Höhere Gewalt“? Was für höhere Gewalt?

Samstag, 30. Mai 2015 16:56

Mit persönlich vom OB gezeichneten Schreiben lehnt die Stadt Gotha derzeit Erstattungsanträge der Eltern ab, die eine Erstattung von Kindergartengebühren für streikbedingt ausgefallene Betreuungszeiten begehren.

Warum ich der Meinung bin, dass diese zu erstatten sind, habe ich hier bereits beschrieben.

Die Stadt Gotha beruft sich zum einen darauf, dass die städtische Satzung eine Erstattung nicht vorsehe, weshalb die „Rechtsgrundlage“ für eine Erstattung fehle. Außerdem wäre ein Streik „höhere Gewalt“. Die Stadt könne nichts für den Ausfall, soll das wohl heißen.

Sie ist aber zugegebenermaßen der große Gewinner des Streiks. In der vergangenen Woche berichtete die „Thüringer Allgemeine“, die Stadt Gotha habe durch den Streik bereits fast 30.000 € gespart. Die Landeshauptstadt Erfurt naturgemäß noch mehr, aber die hat immerhin angekündigt, das Geld in den Spielplatzbau stecken zu wollen. Was Gotha mit dem unerwarteten Geldsegen vorhat, ist nicht bekannt. Der OB ist sich dennoch so sicher, das Geld behalten zu dürfen, dass er in dem Schreiben den Eltern großzügigerweise die „rechtliche Überprüfung“ dieser Entscheidung anheim stellt.

Was ist nun von seinen Argumenten zu halten?

  1. Fehlende „Rechtsgrundlage“

Ob der OB dieses Argument ernst meint? Nirgendwo ist geregelt, dass er etwa streikbegleitend Presseerklärungen herausgeben darf, in denen er die Einkünfte der streikenden Erzieherinnen offenlegt. Er tut dies trotzdem, und greift damit direkt in den Arbeitskampf ein. Ohnehin läßt sich das Pressemanagement der Stadt als außerordentlich gut bezeichnen. Wenige Tage nach meinem Artikel zur Erstattung der Gebühren und noch ehe Erstattungsanträge der Eltern vorlagen, teilte die Stadt, ebenfalls per Pressemitteilung, mit, sie werde nichts erstatten. Ohne Rechtsgrundlage? Wo steht denn ausdrücklich geschrieben, dass sie überhaupt öffentliche Erklärungen herausgeben darf? Oder gilt vielleicht doch noch mehr als das Gothaer Ortsrecht, das BGB z.B., an das auch die Stadt Gotha gebunden ist, und dessen Rechtsgedanken auch im öffentlichen Recht gelten, auch wenn die Erkenntnis schwer fällt? Hier habe ich dazu das Nötige geschrieben.

Eines steht jedenfalls fest: die Kommunen profitieren erheblich vom Streik. Die Eltern zahlen für einen Kindergartenplatz, obwohl die kommunalen Träger die bezahlte Leistung nicht erbringen. Diese wiederum haben den streikenden Erzieherinnen keinen Lohn zu zahlen. Ersparnis? 100 € pro Kind und Tag, so die Stadt Gotha in o.g. Artikel. Auffällig ist auch, dass Kommunen, in denen demnächst Wahlen anstehen, zumindest öffentlich darüber nachdenken, Gebühren zu erstatten. In Gotha scheint da ja niemand etwas befürchten zu müssen…

Grundsätzlich gilt weiterhin, den starken Worten des OB zum Trotz, auch für die die öffentliche Hand, dass sie kein Geld bekommt, wenn sie keine Gegenleistung zu bieten hat. Was auch sonst? Ja, auch wer kein Fernsehgerät vorhält, muss sich mit der GEZ herumschlagen. Auch kann ein Grundstückseigentümer Straßenreinigungsgebühren schulden, wenn er von der Reinigung nichts hat. Der entscheidende Unterschied zu diesen Fällen ist: dort “könnte” er.

  1. Höhere Gewalt?

Immer wieder bemühen die Kommunen diesen Begriff, um zu suggerieren, sie könnten für die Arbeitsniederlegungen ja nichts. Die relevante Rechtsprechung definiert „höhere Gewalt“ ganz grundsätzlich als ein von außen einwirkendes Ereignis, welches außerhalb des Einflußbereiches von streitenden Parteien liegt. Im Arbeitsrecht kann dies so sein, wenn Streiks auf Zulieferbetriebe ausstrahlen, die mit dem zugrunde liegenden Arbeitskampf nichts zu tun haben. Streiken die Erzieher(innen) kommunaler Einrichtungen, ist die Kommune aber als Partei des Arbeitsvertrages dabei, nur eben vertreten durch den kommunalen Arbeitgeberverband. Mit anderen Worten: sie hat direkt Einfluss auf die Verhandlungen, und tut dies auch lauthals kund. Z.B. indem sie öffentlichkeitswirksam die Bezüge des Personals verkündet, und damit wohl sagen will: „Warum streikt Ihr? Ihr verdient doch mehr als genug!?!!?!!“

Was, bei allem gebührenden Respekt, hat dies mit „höherer Gewalt” zu tun? Meint die Stadt wirklich, sie dürfe zu Unrecht bezogene Gebühren behalten? Erst Recht das Essensgeld, wo klar ist, dass die Leistung nicht abgerufen wird und Kosten nicht entstehen können?

  1. Was ist zu tun?

Ganz einfach: Sie müssen gar nichts “rechtlich überprüfen” lassen. Sie teilen der Stadt lediglich schriftlich mit, dass Sie künftig die Zahlungen anteilsmäßig einstellen und offene Beträge, die die Stadt sich weigert zu erstatten, verrechnen werden. Dann läge es an der Stadt, die Eltern in Anspruch zu nehmen für Leistungen, die sie nicht angeboten haben. Ich hielte dies angesichts der bisher dürftigen Argumentation für eher verwegen.

 

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Urheberrecht: Heimliches Anfertigen von Fotos zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten verboten

Mittwoch, 27. Mai 2015 9:37

Besonders gute Mensch_innen sind mitunter nicht besonders zimperlich, wenn es darum geht, Anstand zu erzwingen. Dass es hierbei klare rechtliche Grenzen gibt, hat jetzt das Landgericht Bonn (Urt. v. 07.01.2015 – 5 S 47/14) festgestellt.

Der Fall:

Einem rheinischen Naturfreund mißfiel, dass immer mehr Hundehalter ihre Hunde in den Siegauen, einem Naturschutzgebiet, verbotswidrig frei herumlaufen ließen. Er legte sich auf die Lauer und fotografierte heimlich die Missetäter, um mit den Bildern dann bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Ein Hundehalter, der unerfreuliche Post von der Stadt bekam, beauftragte einen Rechtsanwalt, der Akteneinsicht beantragte und erhielt. So kam der Betroffene an den Namen des Anzeigeerstatters, den er prompt verklagte mit dem Antrag, diesem zu verbieten, ihn künftig ohne sein Wissen zu fotografieren.

Das Urteil:

Das Landgericht Bonn (Urt. v. 07.01.2015 – 5 S 47/14) hat jetzt das Urteil des Amtsgerichts Bonn bestätigt, das den Hobbyfotografen dazu verurteilt hatte, Fotoaufnahmen des Klägers beim Hundeausführen in der Siegaue ohne dessen Einwilligung zu unterlassen. Der entsprechende Anspruch des Klägers ergebe sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.

“Das Amtsgericht hat den Beklagten zu Recht dazu verurteilt, Fotoaufnahmen des Klägers beim Hundeausführen in der Siegaue ohne dessen Einwilligung zu unterlassen. Der entsprechende Anspruch des Klägers ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog.”
Wer ohne Einwilligung des Betroffenen Bildnisse hergestelle, greife in dessen Recht am eigenen Bild als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein. Die in einem solchen Fall durchzuführende Güter- und Interessenabwägung ergebe, dass der Beklagte rechtswidrig gehandelt habe. Er kann sich als Privatperson nicht auf die Einhaltung der Naturschutzvorschriften und deren hoheitliche Durchsetzung berufen, denn über diese Rechtsgüter kann er nicht verfügen. Ein eigenes Recht, dass Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden, hat er nicht, das ist Sache des Staates. Ein „Recht auf eine effektive Anzeige“ kann er allenfalls dann ins Feld führen, wenn seine eigenen Interessen berührt sind. Er kann ja jeden anzeigen, wie es ihm beliebt. Er darf hierzu halt nur keine Fotos machen von Menschen, die dies nicht wissen und wohl auch nicht wollen. Das LG verweist auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Beschl. v. 23.09.2013 – 13 LA 144/12, “Knöllchen-Horst”), dass „selbsternannte Hilfsermittler“ bei massenhaften Anzeigen von Verstößen (dort: Parkverstößen) kein eigenes schützenswertes Interesse haben, “weil sich solche Personen lediglich zum Sachwalter öffentlicher Interessen machen.”
Und die Moral von der Geschicht: Sie machen sich dazu, sind es aber nicht. Das seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gesetzlich verankerte Staatsziel, bei ewiggestrigen, besonders uneinsichtigen Personen Anstand zu erzwingen, verleitet manch guten Menschen zu detektivischen Meisterleistungen. Gut, dass es noch Richter gibt, die der totalen Denunziationsgesellschaft klare rechtliche Grenzen aufzeigen.
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Verwaltungsrecht: Gebühren zurück bei Kita-Streik?

Mittwoch, 6. Mai 2015 7:47

Bleibt die Kita wegen anhaltender Streiks geschlossen, stellt sich die Frage, ob die Eltern einen Anspruch haben, Gebühren anteilig erstattet zu bekommen.

Schließt die Einrichtung allerdings streikbedingt nur für einzelne Tage, bedeutet das zunächst nicht, dass die Gebühr nur anteilig zu zahlen ist. Kitagebühren sind Monatspauschalgebühren, einzelne Tage werden grds. nicht berechnet. Die meisten Kindergartenverträge oder Gebührensatzungen enthalten Klauseln über Sonder-Schließtage, die zu bezahlen sind.

Nach § 5 Abs. 4 der Kitagebührensatzung der Stadt Gotha ist der Kitabeitrag auch zu entrichten, wenn

  1. die Einrichtung tageweise geschlossen bleibt (§ 6 der Benutzungssatzung: „Eine tageweise Schließzeit, bei Brückentagen und zu Fortbildungsmaßnahmen, ist möglich.“) oder
  2. der Besuch des Kindes aus Umständen, die die Eltern zu verantworten haben (wie etwa Urlaub, Kur der Eltern, Besuch bei den Großeltern) unterbleibt.

Der Fall, dass die Einrichtung infolge Streiks der Erzieher geschlossen werden muss, ist hier aber gerade nicht geregelt. Die Satzung regelt auch nicht, wann in solchen Fällen Beiträge zu erstatten sind. Das zeigt schon, dass die Stadt Gotha diesen Fall gar nicht regeln will.

Heißt dies jetzt, dass Beiträge nie zu erstatten sind? Meiner Meinung nach: „Nein“. Denn die Eltern schließen mit dem Kita-Träger nichts anderes als einen Dienst(leistungs)vertrag, der für die volle Dienstleistung eben eine feststehende Gebühr vorsieht. Wird die Dienstleistung aber nicht vollständig erbracht, ist nicht einzusehen, dass die Eltern diese dann trotzdem zu zahlen hätten. Regelt die Satzung diesen Fall nicht, dann gilt eben das BGB bzw. dessen Rechtsgedanken, die auch im öffentlichen Recht anwendbar sind. Und diesen läßt sich entnehmen, dass eine nicht vollständig erbrachte Dienstleistung auch nicht vollständig zu bezahlen ist.

Gern wird hier eingewandt, dass es sich bei Streik um höhere Gewalt handele, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten habe. Halte sich, so etwa Prof. Max-Emanuel Geis von der Universität Erlangen-Nürnberg, der Streik im Rahmen, ziehe er sich also nur über eine Woche und nicht über einen ganzen Monat hin, können Eltern seiner Ansicht nach keine Erstattung ihrer Gebühren verlangen. Das Streikrecht sei durch das Grundgesetz geschützt. Das ist richtig. Jeder darf streiken, nur Beamte nicht. Erzieherinnen der kommunalen Kindergärten sind in der Regel Angestellte des öffentlichen Dienstes und dürfen deshalb streiken. Und die Allgemeinheit müsse die Folgen davon eben zum Teil mittragen. Hätten Eltern die Möglichkeit, sofort die Gebühren zurückzuverlangen, wäre das außerdem ein wohl unzulässiges Druckmittel auf die Arbeitgeber.

Dies ist allerdings eine sehr einseitige Sicht der Dinge: sie übersieht, dass die Kommunen zum einen als Partei in den tariflichen Auseinandersetzungen stehen, und nicht als ohnmächtiges Opfer. Sie heizen den Streik z.T. mit Pressemitteilungen noch an, die mit Unverständnis auf die Streiks reagieren, da die Einkommen der Erzieher(innen) schon so gut seien. Ferner spüren die kommunalen Träger momentan gar keinen Druck. Im Gegenteil: sie müssen den streikenden Erzieherinnen keinen Lohn zahlen, erhalten aber die volle Monatsgebühr. Damit verdienen sie am Streik. Und: Genau so wie die öffentlichen Arbeitgeber wird der Arbeitgeber der daheimgebliebenen Eltern den Lohn für die Fehlzeit einbehalten oder einen Urlaubstag abziehen. Schließlich entstammt der Streik eher der Sphäre des Arbeitgebers als derjenigen der Eltern, die hierfür nun wirklich nichts können. Warum sie die einzigen Geschädigten sein sollen, während der Träger am Streik verdient, ist schlicht nicht begründbar. Richtigerweise wird man aber vertragliche Schadensersatzansprüche der Eltern wegen der entstehenden Extrakosten am fehlenden Verschulden des Trägers scheitern lassen müssen.

Die Gebühren können m.E. hier aber anteilig verrechnet werden. Einige Kommunen tun auch genau das. Ein Schreiben kostet nichts. Wenn die Kommune sich weigert, müßte diese Sie in Anspruch nehmen. Ob sie diese Dreistigkeit haben, bleibt abzuwarten. In diesem Fall können Sie immer noch überlegen, ob Sie vor Gericht ziehen wollen.

Nachfolgend ein von mir entworfenes Musterschreiben an den Kita-Träger, das Sie gerne verwenden und weiterreichen dürfen:

 

“Sehr geehrte Damen und Herren,

vom… bis… war die Kindertagesstätte meines Kindes …. vom Streik der Erzieher(innen) im öffentlichen Dienst betroffen. Die Kindertagesstätte hatte geschlossen. Eine Notgruppe haben Sie nicht angeboten. Daher haben Sie Ihre vertraglich vereinbarte Leistung für diese Zeit nicht erbracht, ohne dass die Kitagebührensatzung der Stadt Gotha hier die Möglichkeit einer Sonder-Schließzeit vorsehen würde.

Für die kurzfristig zu organisierende Ersatzbetreuung sind mir Kosten i. H. v. …€ entstanden. Ferner hatte ich an diesem Tag unbezahlten Urlaub zu nehmen und daher eine Lohneinbuße i.H.v. … Die Geltendmachung dieser Beträge behalte ich mir vor.

Ich teile Ihnen mit, dass ich die Beitragszahlung für den Monat … um € … reduzieren werde. Dies setzt sich zusammen aus dem errechneten Tagessatz und dem Anteil der ungenutzten Essenspauschale von €… .

Ich bitte außerdem um eine Neubescheidung der Gebühren für den maßgeblichen Zeitraum für meine Unterlagen, damit ich dem Finanzamt gegenüber die tatsächlich angefallenen Kosten steuerlich geltend machen kann.

Hierfür erlaube ich mir, eine Frist von 3 Wochen zu notieren.

Mit freundlichen Grüßen ”

 

Das Musterschreiben  können Sie hier gleich ausdrucken.

 

 

 

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