Verwaltungsrecht: „Höhere Gewalt“? Was für höhere Gewalt?
Mit persönlich vom OB gezeichneten Schreiben lehnt die Stadt Gotha derzeit Erstattungsanträge der Eltern ab, die eine Erstattung von Kindergartengebühren für streikbedingt ausgefallene Betreuungszeiten begehren.
Warum ich der Meinung bin, dass diese zu erstatten sind, habe ich hier bereits beschrieben.
Die Stadt Gotha beruft sich zum einen darauf, dass die städtische Satzung eine Erstattung nicht vorsehe, weshalb die „Rechtsgrundlage“ für eine Erstattung fehle. Außerdem wäre ein Streik „höhere Gewalt“. Die Stadt könne nichts für den Ausfall, soll das wohl heißen.
Sie ist aber zugegebenermaßen der große Gewinner des Streiks. In der vergangenen Woche berichtete die „Thüringer Allgemeine“, die Stadt Gotha habe durch den Streik bereits fast 30.000 € gespart. Die Landeshauptstadt Erfurt naturgemäß noch mehr, aber die hat immerhin angekündigt, das Geld in den Spielplatzbau stecken zu wollen. Was Gotha mit dem unerwarteten Geldsegen vorhat, ist nicht bekannt. Der OB ist sich dennoch so sicher, das Geld behalten zu dürfen, dass er in dem Schreiben den Eltern großzügigerweise die „rechtliche Überprüfung“ dieser Entscheidung anheim stellt.
Was ist nun von seinen Argumenten zu halten?
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Fehlende „Rechtsgrundlage“
Ob der OB dieses Argument ernst meint? Nirgendwo ist geregelt, dass er etwa streikbegleitend Presseerklärungen herausgeben darf, in denen er die Einkünfte der streikenden Erzieherinnen offenlegt. Er tut dies trotzdem, und greift damit direkt in den Arbeitskampf ein. Ohnehin läßt sich das Pressemanagement der Stadt als außerordentlich gut bezeichnen. Wenige Tage nach meinem Artikel zur Erstattung der Gebühren und noch ehe Erstattungsanträge der Eltern vorlagen, teilte die Stadt, ebenfalls per Pressemitteilung, mit, sie werde nichts erstatten. Ohne Rechtsgrundlage? Wo steht denn ausdrücklich geschrieben, dass sie überhaupt öffentliche Erklärungen herausgeben darf? Oder gilt vielleicht doch noch mehr als das Gothaer Ortsrecht, das BGB z.B., an das auch die Stadt Gotha gebunden ist, und dessen Rechtsgedanken auch im öffentlichen Recht gelten, auch wenn die Erkenntnis schwer fällt? Hier habe ich dazu das Nötige geschrieben.
Eines steht jedenfalls fest: die Kommunen profitieren erheblich vom Streik. Die Eltern zahlen für einen Kindergartenplatz, obwohl die kommunalen Träger die bezahlte Leistung nicht erbringen. Diese wiederum haben den streikenden Erzieherinnen keinen Lohn zu zahlen. Ersparnis? 100 € pro Kind und Tag, so die Stadt Gotha in o.g. Artikel. Auffällig ist auch, dass Kommunen, in denen demnächst Wahlen anstehen, zumindest öffentlich darüber nachdenken, Gebühren zu erstatten. In Gotha scheint da ja niemand etwas befürchten zu müssen…
Grundsätzlich gilt weiterhin, den starken Worten des OB zum Trotz, auch für die die öffentliche Hand, dass sie kein Geld bekommt, wenn sie keine Gegenleistung zu bieten hat. Was auch sonst? Ja, auch wer kein Fernsehgerät vorhält, muss sich mit der GEZ herumschlagen. Auch kann ein Grundstückseigentümer Straßenreinigungsgebühren schulden, wenn er von der Reinigung nichts hat. Der entscheidende Unterschied zu diesen Fällen ist: dort „könnte“ er.
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Höhere Gewalt?
Immer wieder bemühen die Kommunen diesen Begriff, um zu suggerieren, sie könnten für die Arbeitsniederlegungen ja nichts. Die relevante Rechtsprechung definiert „höhere Gewalt“ ganz grundsätzlich als ein von außen einwirkendes Ereignis, welches außerhalb des Einflußbereiches von streitenden Parteien liegt. Im Arbeitsrecht kann dies so sein, wenn Streiks auf Zulieferbetriebe ausstrahlen, die mit dem zugrunde liegenden Arbeitskampf nichts zu tun haben. Streiken die Erzieher(innen) kommunaler Einrichtungen, ist die Kommune aber als Partei des Arbeitsvertrages dabei, nur eben vertreten durch den kommunalen Arbeitgeberverband. Mit anderen Worten: sie hat direkt Einfluss auf die Verhandlungen, und tut dies auch lauthals kund. Z.B. indem sie öffentlichkeitswirksam die Bezüge des Personals verkündet, und damit wohl sagen will: „Warum streikt Ihr? Ihr verdient doch mehr als genug!?!!?!!“
Was, bei allem gebührenden Respekt, hat dies mit „höherer Gewalt“ zu tun? Meint die Stadt wirklich, sie dürfe zu Unrecht bezogene Gebühren behalten? Erst Recht das Essensgeld, wo klar ist, dass die Leistung nicht abgerufen wird und Kosten nicht entstehen können?
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Was ist zu tun?
Ganz einfach: Sie müssen gar nichts „rechtlich überprüfen“ lassen. Sie teilen der Stadt lediglich schriftlich mit, dass Sie künftig die Zahlungen anteilsmäßig einstellen und offene Beträge, die die Stadt sich weigert zu erstatten, verrechnen werden. Dann läge es an der Stadt, die Eltern in Anspruch zu nehmen für Leistungen, die sie nicht angeboten haben. Ich hielte dies angesichts der bisher dürftigen Argumentation für eher verwegen.