Beiträge vom September, 2015

Verkehrsrecht: Unfallflucht geht nur vorsätzlich

Dienstag, 29. September 2015 9:54

Die Unfallflucht ist ein umstrittener Straftatbestand. In der Öffentlichkeit überwiegt der Eindruck, dass sie fast härter als Körperverletzungsdelikte verfolgt wird, obgleich der Praktiker weiß, dass der Unfallflüchtige weniger aus Rücksichtslosigkeit handelt, sondern einfach menschlich versagt. Auf der anderen Seite kennen wir wohl alle das bedröppelte Gefühl, zu unserem geparkten Wagen zurückzukehren und eine frische Macke, oder mehr, vorzufinden, ohne zu wissen, wer uns diesen Gruß hinterlassen hat.

Umso schöner, wenn sich jemand bei uns meldet, der den Vorfall beobachtet hat. Dies führt meistens dazu, dass wir unseren Schaden ersetzt bekommen.

Aber ist der andere auch strafbar?

Wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort kann nach §§ 142, 15 StGB nur bestraft werden, wer vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz genügt. Der Täter muss erkannt oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet haben, dass er einen Gegenstand oder Menschen angefahren und einen nicht völlig bedeutungsloser Schaden verursacht hat. Fahrlässigkeit reicht nicht aus. Es genügt also gerade nicht, dass sich dem Kraftfahrer die Vermutung aufgedrängt hat, er habe einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht; er muss Kenntnis hiervon haben. Kann das Gericht ihm dies nicht nachweisen, hat er höchstens fahrlässig gehandelt und ist nicht nach § 142 StGB zu bestrafen.

Dies ist häufig bei einem Bagatellschaden der Fall, wo das eine Auto das andere nur touchiert hat und vielleicht nur ein Farbabrieb zu sehen ist.

Eine neue Entscheidung des Kammergerichts (KG, Beschl. v. 08.07. 2015 – (3) 121 Ss 69/15 (47/15) stellt noch einmal klar, dass das Gericht nicht einfach vom äußeren Tatgeschehen auf die innere Motivation des Angeklagten schließen darf. Anders ausgedrückt: selbst wenn ein Zeuge einen “Knall” gehört haben will, muss diesen der Flüchtige noch lange nicht gehört haben, v.a. dann nicht, wenn er das Fenster geschlossen und das Radio an hatte. Das KG schreibt dem Amtsgericht, das den Angeklagten verurteilt hatte, klar und deutlich ins Stammbuch, dass sich floskelhafte Ausführungen im Urteil, für den Angeklagten müsse “erkennbar gewesen” sein, dass er einen nicht unerheblicher Schaden verursacht habe, eigentlich verbieten.

Wie kann man einen Anstoß überhaupt wahrnehmen?

Es gibt drei Arten der Wahrnehmbarkeit, die ich in meinem Buch zum “Straßenverkehrsstrafrecht” erläutere. Das Kapitel zur Wahrnehmbarkeit der Unfallflucht kann hier heruntergeladen werden.

Die Praxis zeigt, dass bei Bagatellschäden der Nachweis regelmäßig auch dem beigezogenen Sachverständigen nicht gelingt. Es fragt sich, ob solche Fälle immer angeklagt werden müssen. Zieht der Beschuldigte aber rechtzeitig einen sachkundigen Verteidiger zu Rate, kann dieser oft eine Einstellung des Verfahrens bewirken.

Deubner_Logo

Thema: Allgemein | Kommentare (0) | Autor:

IT-Recht: “Disclaimer”? Raus, aber schnell!

Samstag, 12. September 2015 14:46

Das Abmahnunwesen verleitet viele Shopbetreiber zu halbherzigen “Distanzierungen” Ihres Onlineangebots, neudeutsch: “Disclaimer” genannt. Sie setzen dann in etwa folgende Erklärungen auf ihre Seite:

„Die Inhalte der Webseite werden mit größter Sorgfalt erstellt. Dennoch kann keine Garantie für Aktualität und Vollständigkeit übernommen werden.“

Oft finden sich auch Distanzierungen von verlinkten Inhalten in diesen Erklärungen.

Das Problem

Dass dies nicht ungefährlich sein kann, zeigt ein Urteil des LG Arnsberg (vom 03.09.2015 – I-8 O 63/15): ein Onlinehändler hatte einen Mitbewerber auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil er befand, der Hinweis könne auch so verstanden werden, dass der Gegner sich vorbehalten wolle, Beschaffenheit und Preise seiner  Produkte einseitig zu ändern.

Der Abgemahnte fiel aus allen Wolken. So einen “Enthaftungshinweis” habe doch jeder auf seiner Seite heutzutage.  Der Gegner wolle ihm nur eins auswischen. Der Hinweis bedeute doch gar nichts. Schon gar nicht in Bezug auf sein Angebot. Oder?

Stimmt. Allerdings nur insoweit, als sich kein Shopbetreiber mit diesem Hinweis von irgendetwas “enthaften” kann. Wer rechtswidrige Inhalte auf seiner Seite hat oder auf solche verlinkt, kann hierfür grds. in Haftung genommen werden, ohne dass auch der beste Disclaimer daran etwas ändern kann.

“Disclaimer” ist AGB

Zunächst muss sich unser Shopbetreiber belehren lassen, dass sein “Diclaimer” Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) ist, auch wenn er nicht ausdrücklich so betitelt ist (OLG Hamburg, Beschl. v. 10.12.2012 – 5 W 118/12).  Daher unterliegt er der Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Das OLG Hamburg befindet, dass der Verbraucherschutz hier die sog. “verbraucherfeindlichste Auslegung” gebiete, und demnach jeder Kunde befürchten müsse, der Verkäufer wolle sich nicht an genau die angepreiste Beschaffenheit des erworbenen Artikels halten. Genau diese Gefahr hat das LG Arnsberg in der o.g. Entscheidung auch gesehen und befunden, die Klausel sei intransparent nach § 307 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 BGB.

Wettbewerbsverstoß

Damit nicht genug. Wer eine rechtswidrige AGB-Klausel verwendet, verschafft sich im Geschäftsverkehr einen unlauteren Geschäftsvorteil, der abgemahnt werden kann. Denn wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, handelt unlauter, § 4 Ziff. 11 UWG. Er schuldet dann u.a Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz. Dies gilt übrigens auch für die Variante “Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt”.

Fazit

Ich rate seit langem davon ab, einen Disclaimer zu verwenden, denn dieser ist wie gesehen bestenfalls wirkungslos, dafür wirkt er laienhaft bis hilflos, denn warum sollte ich mich von meinem Angebot distanzieren, wenn ich doch davon, einschließlich der verlinkten Inhalte, überzeugt bin? Kommt nun noch hinzu, dass ich gerade für etwas, was ich vermeiden will, noch abgemahnt werden kann, sollte die Wahl leicht fallen: raus damit, aber schnell 🙂

Deubner_Logo

Thema: Allgemein | Kommentare (0) | Autor: