IT-Recht: „Disclaimer“? Raus, aber schnell!
Das Abmahnunwesen verleitet viele Shopbetreiber zu halbherzigen „Distanzierungen“ Ihres Onlineangebots, neudeutsch: „Disclaimer“ genannt. Sie setzen dann in etwa folgende Erklärungen auf ihre Seite:
„Die Inhalte der Webseite werden mit größter Sorgfalt erstellt. Dennoch kann keine Garantie für Aktualität und Vollständigkeit übernommen werden.“
Oft finden sich auch Distanzierungen von verlinkten Inhalten in diesen Erklärungen.
Das Problem
Dass dies nicht ungefährlich sein kann, zeigt ein Urteil des LG Arnsberg (vom 03.09.2015 – I-8 O 63/15): ein Onlinehändler hatte einen Mitbewerber auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil er befand, der Hinweis könne auch so verstanden werden, dass der Gegner sich vorbehalten wolle, Beschaffenheit und Preise seiner Produkte einseitig zu ändern.
Der Abgemahnte fiel aus allen Wolken. So einen „Enthaftungshinweis“ habe doch jeder auf seiner Seite heutzutage. Der Gegner wolle ihm nur eins auswischen. Der Hinweis bedeute doch gar nichts. Schon gar nicht in Bezug auf sein Angebot. Oder?
Stimmt. Allerdings nur insoweit, als sich kein Shopbetreiber mit diesem Hinweis von irgendetwas „enthaften“ kann. Wer rechtswidrige Inhalte auf seiner Seite hat oder auf solche verlinkt, kann hierfür grds. in Haftung genommen werden, ohne dass auch der beste Disclaimer daran etwas ändern kann.
„Disclaimer“ ist AGB
Zunächst muss sich unser Shopbetreiber belehren lassen, dass sein „Diclaimer“ Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) ist, auch wenn er nicht ausdrücklich so betitelt ist (OLG Hamburg, Beschl. v. 10.12.2012 – 5 W 118/12). Daher unterliegt er der Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Das OLG Hamburg befindet, dass der Verbraucherschutz hier die sog. „verbraucherfeindlichste Auslegung“ gebiete, und demnach jeder Kunde befürchten müsse, der Verkäufer wolle sich nicht an genau die angepreiste Beschaffenheit des erworbenen Artikels halten. Genau diese Gefahr hat das LG Arnsberg in der o.g. Entscheidung auch gesehen und befunden, die Klausel sei intransparent nach § 307 Abs. 1 S. 2 u. Abs. 2 BGB.
Wettbewerbsverstoß
Damit nicht genug. Wer eine rechtswidrige AGB-Klausel verwendet, verschafft sich im Geschäftsverkehr einen unlauteren Geschäftsvorteil, der abgemahnt werden kann. Denn wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, handelt unlauter, § 4 Ziff. 11 UWG. Er schuldet dann u.a Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz. Dies gilt übrigens auch für die Variante „Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt“.
Fazit
Ich rate seit langem davon ab, einen Disclaimer zu verwenden, denn dieser ist wie gesehen bestenfalls wirkungslos, dafür wirkt er laienhaft bis hilflos, denn warum sollte ich mich von meinem Angebot distanzieren, wenn ich doch davon, einschließlich der verlinkten Inhalte, überzeugt bin? Kommt nun noch hinzu, dass ich gerade für etwas, was ich vermeiden will, noch abgemahnt werden kann, sollte die Wahl leicht fallen: raus damit, aber schnell 🙂