Erbrecht: Pflichtteil und Bewertung von Nachlaßgegenständen
Mein Vater hat mich enterbt und alles meiner Schwester vererbt. Im Nachlaß ist ein Hausgrundstück. Meine Schwester hat das Haus nunmehr zu einem meiner Meinung nach zu niedrigen Preis veräußert. Kann ich einen höheren Wert des Grundstückes im Rahmen meines Pflichtteilsrechts ansetzen?
Wie Nachlaßgegenstände zu bewerten sind, ist häufig eine Streitfrage im Bereich des Pflichtteilsrechtes. Der Pflichtteilsberechtigte hat oftmals die Anschaffungskosten im Blick oder orientiert sich an Preisen, die für vergleichbare Gegenstände verlangt werden. Gem. § 2311 Abs. 2, Satz 1 BGB ist für die Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses, soweit erforderlich, durch Schätzung zu ermitteln. Dies wird regelmäßig bei Streit zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten über ein Sachverständigengutachten erfolgen. Im Fall, daß der Erbe das Hausgrundstück jedoch veräußert, ist nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes, soweit nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, der tatsächlich erzielte Verkaufspreis für die Bewertung maßgebend. Insoweit knüpft der BGH an seine bisherige Rechtsprechung an, nach der der effektive Verkaufserlös der beste Indikator für den maßgeblichen Wert sei. Dies gelte auch dann, wenn zwischen dem Erbfall und dem Verkauf ein längerer Zeitraum liegt. Dabei sind in der Regel drei Jahre vertretbar, 5 Jahre im Einzelfall gerade noch hinnehmbar. Falls also nicht außergewöhnliche Umstände in Bezug auf den erzielten Verkaufspreis vorliegen, so z. B. nachweisbarer bewußter Verkauf zu einem erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Wert, so ist auf den erzielten Verkaufspreis abzustellen. Gerade in erbrechtlichen Fragen sollte bei Zweifelsfragen deshalb rechtlicher Rat zur Durchsetzung erbrechtlicher Ansprüche eingeholt werden.