Verkehrsrecht: Recht zur Nachbesichtigung durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer
Frage:
Ich hatte einen unverschuldeten Verkehrsunfall und habe ein Schadensgutachten erstellen lassen. Jetzt will der gegnerische Haftpflichtversicherer das noch nicht reparierte Fahrzeug besichtigen lassen, ehe er reguliert. Er beruft sich auf „Unstimmigkeiten“ des Gutachtens. Ist das rechtens?
Antwort:
Ein „Recht zur Nachbesichtigung“ gibt es nicht. Sie sind Ihrer Obliegenheit, die Schadenshöhe nachprüfbar nachzuweisen, mit der Vorlage des Gutachtens nachgekommen. Nur, wenn das eingeholte Gutachten gravierende Mangel aufweist, die auch für den Geschädigten ohne weiteres erkennbar sind, darf der Versicherer Zahlungen zunächst zurückhalten. Er muss aber Mängel des Gutachtens konkret benennen, die pauschale Aussage „nicht nachvollziehbar“ genügt nicht (so jetzt wieder das LG Berlin, Urteil vom 13.7.2011, Az: 42 O 22/10). Sie müssen nicht begründen, warum sie ihren Wagen nicht vorzeigen wollen. Warum auch? Die Regulierung verzögert sich. Und der Versicherer will den Schaden klein halten, der Prüfer wiederum seine Arbeit rechtfertigen, also liegt nahe, dass er Einsparungen ermittelt, die über seinen Kosten liegen. Der Versicherer erteilt die Reparaturfreigabe dann nur in diesem Umfang.
Was aber, wenn die Reparatur drängt, die Werkstatt aber nicht repariert, weil der Versicherer nicht zahlt? Kann die Werkstatt auch vom Fachanwalt Ihres Vertrauens nicht überzeugt werden, ein Klageverfahren abzuwarten, kann es sich empfehlen, die Nachbesichtigung zu ermöglichen. Dann sollte aber der Gutachter informiert werden, damit er den Termin gleichfalls wahrnimmt. Dessen Auslagen trägt dann der Versicherer. Oft erreicht ein Fachanwalt für Verkehrsrecht aber die Stundung der Reparaturkosten bis zum Ende des Rechtsstreits gegen die Zusage, dass die Werkstatt die mit eingeklagten Zinsen erhält. Der erzieherische Effekt beim rasch verklagten Versicherer ist nicht zu unterschätzen.