IT-Recht: AG Erfurt weist Klage der RAe BaumgartenBrandt ab

Auch eine Abmahnung wegen Filesharing erhalten? Gegenwehr lohnt sich!

Die Ausgangslage

Filesharing und kein Ende… seit Jahren verschicken ausgewählte Anwaltskanzleien Schreiben im Namen ihrer Mandanten Universal Music, MFA Filmdistribution oder auch Purzel Video. Böse Zungen behaupten, diese Kanzleien machten wahrscheinlich nichts anderes als das: eine (angebliche) Urheberrechtsverletzung im Internet abmahnen. Dem Adressaten wird vorgeworfen, an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit mit einer bestimmten Torrentsoftware einen Film, eine CD oder einzelne mp3-Dateien im Netz herunter- und wieder heraufgeladen zu haben. Dies sei durch eine eingesetzte Spionagesoftware „beweissicher“ dokumentiert. Er soll hierfür Schadensersatz von 780 € sowie Rechtsanwaltskosten in Höhe von 215 € zahlen und eine beigefügte vorformulierte Unterlassungserklärung unterschreiben.

Der Empfänger dieses Schreibens staunt des öfteren nicht schlecht, weil er von alledem nichts weiß.  Er ist zu der fraglichen Zeit oft gar nicht zuhause gewesen und weiß nicht, was ein „Torrent“ ist. Sein im Haushalt lebender 15jähriger Sohn schon eher. Manchmal räumt dieser ein, die Tat – jawoll, Urheberrechte verletzen kann eine Straftat sein – begangen zu haben. meistens streitet er ab. Er ist ja gehörig „belehrt“, im Netz keine Schmuddelseiten aufzurufen. Die Wahrheit läßt sich selten herausfinden. Oder doch?

Die Argumente

Zumeist argumentieren die Urheber, die Überwachung durch die eingesetzte Ermittlungsfirma zeichne Rechtsverstöße „beweissicher“ auf. Dabei wurde eben festgestellt, dass das fragliche urheberrechtlich geschützte Werk über die IP-Adresse des Mandanten zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Download angeboten worden sei.

Die Wahrheit

Bei der Ermittlung der IP-Adresse durch die Ermittlungsfirma handelt es sich um einen sehr fehleranfälligen Prozess, da bei einem solchen Massenverfahren eine Vielzahl von Personen beteiligt ist. Zudem wird zumeist die Zuverlässigkeit der Ermittlungssoftware nicht nachgewiesen.

Aber: es genügt nicht, die Funktionsweise des Geräts anzuzweifeln, wie der BGH jüngst wieder festgestellt hat (in der Pressemitteilung zum Urteil v. 11.06.2015 – Az. I ZR 19/14 ; die Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht):

„Die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen von proMedia und des Internetproviders auch Fehler vorkommen können, spricht nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden, die gegen deren Richtigkeit sprechen. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle reicht (…) insoweit nicht.“

Aberaber: Der vermeintliche „Verletzer“ kann kaum vortragen, was an dem eingesetzten Gerät nun vielleicht falsch gelaufen ist. Er kann lediglich alles vortragen, was dagegen spricht, dass diese verflixte Datei tatsächlich von seinem Anschluß herunter geladen worden ist.

Manchmal hilft ihm aber der Gegner selber. In unserem Fall hat der Urheber die Software „Observer“ von der Fa. Guardaley Ltd. eingesetzt. Diese soll „beweissicher“ laufen. Komischerweise hat genau dieselbe Anwaltskanzlei BaumgartenBrandt, die hier für die „Zuverlässigkeit“ des „Observers“ streitet, in einem Verfahren vor dem LG Berlin (Urt. v. 03.05.2011 – 16 O 55/11) gegen die Fa. Guardaley argumentiert, diese erbringe „unzuverlässige Recherchedienstleistungen“. Was gilt denn nun? Das OLG Köln, Beschl. v. 20.01.2012 – 6 W 242/12) hat dann in einem anderen Verfahren festgestellt:

„Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dieses Programm geeignet war, die behaupteten Rechtsverletzungen zuverlässig zu ermitteln“.

Solcherart gerüstet verkündete das AG Erfurt sodann seinen Beweisbeschluss, „zunächst“ die von der Gegenseite benannten Zeugen vernehmen zu wollen. Diese sah nicht ein, die damit verbundenen exorbitanten Kostenvorschüsse zu leisten, blieb beweisfällig, weshalb die Klage abgewiesen wurde:

„Zur Überzeugung des Gerichts steht nicht fest, dass die von der Klägerin behauptete Urheberrechtsverletzung vom Internetanschluss der Beklagten erfolgt ist.“ (AG Erfurt, Urt. v. 29.06.2015 – 12 C 2053/14).

Heute ging das Telefon: die Kanzlei BaumgartenBrandt möchte mit mir gern Vergleichsgespräche führen. Sonst wäre man ja zur Berufung gezwungen. Ich lehne dankend und leichten Herzens ab. Warum, beschreibt der geschätzte Kollege Jan Gerth hier. Kurz zusammengefasst: die von der Klägerin benannten Zeugen waren selber in die Vorgänge nicht eingebunden und können hierzu gar nichts sagen. Außerdem hat schon das OLG Köln a.a.O. festgestellt, dass die Überprüfung rund fünf Jahre später gar nicht mehr funktionieren kann, weshalb auch ein Sachverständigengutachten nicht einzuholen ist.

Meine Prognose: es wird kein Berufungsverfahren geben.

Ach so: In einer anderen Sache am AG Erfurt haben die Kollegen BaumgartenBrandt sich mit ihrem Vortrag zur möglichen Verjährung ihres Anspruchs dermaßen verheddert, dass am Ende nur die Klagerücknahme blieb.

Was lehrt uns das? Ehe Sie leichtfertig Geld verschenken, lieber gleich zum Spezialisten. Der kann auch schon mal in vermeintlich aussichtslosen Fällen helfen. Und kostet weniger, als Sie denken 🙂

 

Deubner_Logo

Tags »

Autor:
Datum: Montag, 13. Juli 2015 17:17
Allgemein

Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Diesen Artikel kommentieren

Kommentar abgeben