Verkehrsrecht: Das letzte Wort des Betroffenen sollte auch im OWi-Verfahren nicht unterschätzt werden

Das letzte Wort hat der Angeklagte.

 

Das weiß jeder. Für die, die es nicht wissen, steht es in § 258 Abs. 2 StPO. So weit, so unerheblich: Was soll er noch sagen, der Angeklagte und fast-schon-Verurteilte, nachdem Staatsanwalt und ein oder gar mehrere Anwälte, vielleicht noch Vertreter der Nebenklage lange und ohne Pause geredet haben? Manchmal sagt er „Es tut mir Leid“, meistens sagt er „Ich schließe mich meinem Verteidiger an“.

Er muss auch gar nichts sagen. Es kommt ja nichts mehr. Oder doch?

Der Kollege Burhoff berichtet hier in seinem Blog von einem interessanten Fall aus dem OWi-Recht:

Eine Hauptverhandlung in Anwesenheit des Betroffenen, der als LKW-Fahrer einen Abstandsverstoß  begangen haben soll. Am Schluss der Beweisaufnahme erhält sein Verteidiger das Wort. Er beantragt kurz und bündig die Einstellung des Verfahrens. Dann hat der Betroffene das letzte Wort und erklärt, siehe oben, er schließe sich seinem Verteidiger an. Da ergreift erneut der Verteidiger das Wort und beantragt „ergänzend und hilfsweise“, das Gericht möge „lediglich eine Geldbuße von 39 € gegen den Betroffenen“ verhängen.

Wie in OWi-Sachen üblich, hat das Gericht dann sofort im Anschluss das Urteil gegen den Betroffenen verkündet. Es hat den Betroffenen zu einer Geldbuße von 80 € verurteilt. Der findige Verteidiger ging ins Rechtsmittel u.a. mit der Begründung, der Betroffene habe nicht das letzte Wort gehabt.

Hä? Der Amtsrichter muss sich wohl verhohnepiepelt vorgekommen sein, er hatte ja gerade dem Betroffenen das letzte Wort erteilt, wurde aber durch das OLG Celle (Beschl. v. 24.06.2015 – 2 Ss (OWi) 165/15), eines Besseren belehrt. Dieses ließ, was in OWi-Sachen SEHR selten ist, die Rechtsbeschwerde zu und entschied, nachdem der Verteidiger erneut das Wort ergriffen und einen neuen Antrag gestellt hatte, hätte der Betroffene erneut hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme haben müssen:

„Die Verfahrensrüge ist auch begründet, denn ausweislich der – mit der Rechtsbeschwerde vorgetragenen – Sitzungsniederschrift hat der Angeklagte nach den nochmaligen Ausführungen seines Verteidigers nicht erneut das letzte Wort erhalten. Eine Verletzung des § 258 StPO begründet zugleich eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. Ott a. a. 0. Rdnr 32). Zwar ist die Verletzung von § 258 kein absoluter Revisionsgrund. das Beruhen des Urteils bei einem solchen Verstoß kann jedoch nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 258 Rdnr. 34 m. w. N.). Das Beruhen kann hier nicht ausgeschlossen werden, weil der Betroffene den gegen ihn erhobenen Vorwurf bestritten hat und es daher jedenfalls möglich erscheint. dass er zum Schuldvorwurf erneut Stellung genommen und möglicherweise weitere für die Beweiswürdigung maßgebliche, ihn entlastende Umstände vorgebracht hätte.“

Das OLG Celle hat das Urteil aufgehoben und an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Fazit des Kollegen: auch „das letzte Wort nach dem letzten Wort“ muss der Betroffene haben. Auch in der OWi-Verhandlung 🙂

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Datum: Montag, 24. August 2015 12:19
Allgemein

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