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Datenschutz: Das letzte Gefecht des Datenschutzes? Von wegen!

Donnerstag, 12. April 2018 22:45

Das letzte Gefecht des Datenschutzes? Von wegen!

Datenschutzgrundverordnung mischt Unternehmer und Vereine auf

(zugleich Ankündigung des neuen Buches “Fit für die DS-GVO”)

Von RA Christian Sitter

 

 

 

 

 

 

 

Trendforscher“ zu sein, ist ein manchmal anstrengender Beruf. „Das letzte Gefecht des Datenschutzes“ rief schon vor Jahren einer aus und schrieb dem Gesetzgeber ins Stammbuch:

„Wir wollen unsere Daten nicht verheimlichen! Wir wollen unsere Daten freigeben! …

Die heutige Datenschutzdebatte ist deshalb ein Relikt der alten Zeit…

(http://www.trendforscher.eu/uploads/media/Storyletter_Das_letzte_Gefecht_des_Datenschutzes.pdf).

Gerade heute brennt Ihnen, lieber Leser, das Thema mehr denn je auf den Nägeln. Zu Recht: ab dem 25. Mai 2018 gilt in der gesamten Europäischen Union die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und damit ein einheitliches Datenschutzrecht für alle Mitgliedsstaaten. Es wird begleitet von einem runderneuerten neuen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), das Öffnungsklauseln der DS-GVO nutzt und für Deutschland etwa beim Arbeitnehmerdatenschutz und beim Datenschutzbeauftragten noch draufsattelt. Dass diese Regelwerke die Pflichten für all diejenigen, die tagtäglich mit Daten Anderer umzugehen haben, verschärfen, hat sich herumgesprochen. Mehr noch: diese Pflichten sind sofort zu beachten. Bußgelder drohen in einer Höhe von bis zu 20 Millionen EUR. Und das neue Recht schafft wieder jede Menge an Möglichkeiten für kreative Mitbewerber, Sie oder Ihre Mandanten abzumahnen.

Man könnte also sagen: von wegen „letztes Gefecht“, der Datenschutz schlägt mit voller Macht zurück. „Daten – das Öl des 21. Jahrhunderts?“, fragt ein jüngst erschienenes Buch. „Daten sind das neue Gold“, titelte die „Welt“ schon 2014 und die Bundeskanzlerin befand zwei Jahre später in der „FAZ“: Daten seien „die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts“.

Dass jedes Unternehmen, jede Kanzlei, aber auch jeder Verein Daten sammelt, ist eine Binse. Jetzt, da Sie langsam gewahr werden, was Sie mit diesen Daten alles anstellen können, erhalten Sie ein rechtliches Korsett, das Sie mehr fordert, als Ihnen lieb sein kann. Denn wir reden eben auch über Grundrechte, und hier über das allgemeine Persönlichkeitsrecht, und dieses beinhaltet eben auch das Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“, also das Freiheitsrecht von Jedermann, volle Kontrolle über seine Daten zu haben und zu behalten. Und genau im Lichte dieses Freiheitsrechts müssen Sie die DS-GVO verstehen.

*

Ein kleines Beispiel aus der Vereinspraxis:

Der Lokalreporter möchte vom Trainerteam des Boxverein Neustadt ein paar Infos für das bevorstehende Boxturnier und schreibt dann in einem kleinen Artikel des „Neustädter Boten“, was der Trainer ihm per eMail geschickt hat:

„Endlich wird in Neustadt wieder geboxt. Am kommenden Samstag beginnt um 9.00 Uhr in der Winkelmannhalle das Kaderturnier der Junioren, wo sich die Besten ihrer Altersklasse messen werden. Leider kann Lokalmatador Kevin Römhild nicht dabei sein, weil der noch seinen Bänderriss im Sprunggelenk auskuriert, den er sich beim Skifahren in Tirol zugezogen hat. Ob der ambitionierte Afghane Tarik Rahimi, der in seinen ersten drei Kämpfen bereits für Furore gesorgt hat, dabei sein kann, ist noch nicht sicher. Er muss zeitgleich beim Bundesamt für Migration zur Anhörung über seinen Asylantrag antreten.“

Das Trainerteam wird ganz blass, als ich es belehre, dass es hier datenschutzrechtlich so ziemlich alles falsch gemacht hat, was es falsch machen konnte und damit eine meldepflichtige Datenpanne ausgelöst hat, die sogar Schadensersatzansprüche nach sich ziehen könnte. Denn was ist hier datenschutzrechtlich passiert? Der Trainer hat Informationen über persönliche Verhältnisse (Daten, Art. 4 Nr. 1 DS-GVO) per eMail, damit automatisiert an Dritte weitergereicht (Datenübermittlung, Art. 44 S. 1 DS-GVO), sogar besonders sensible und damit besonders geschützte Daten, nämlich

  • über den Gesundheitszustand von Kevin und
  • über die ethnische Herkunft von Tarik,

Art. 9 Abs. 1 DS-GVO. Eine Weitergabe ohne Einwilligung der Sportler, welche die Trainer natürlich nicht gefragt hatten, ist strikt unzulässig. Vorsicht also in dem Zoo da draußen!

*

Ja, es stimmt: die DS-GVO wird Ihren Alltag im Beruf und im Verein definitiv mehr beeinflussen als das bisherige Datenschutzrecht. Und die neuen Regeln sehen auf den ersten Blick so kompliziert aus, dass der Unternehmer, Freiberufler oder auch Vereinsvorstand gleich kapitulieren mag, zumal das Internet auch nach intensiver Suche kein Muster auszuspucken vermag, das für alle gilt. Nach der Erkenntnis, dass die DS-GVO auch für Sie und Ihr Unternehmen und Ihren Verein gilt, macht sich schnell Ratlosigkeit breit: was bedeutet das nun KONKRET für mich, die Kanzlei, das Unternehmen, den Verein?

Nun, es bedeutet zunächst zweierlei:

  1. Datenschutz betrifft auch Sie
  2. Datenschutz ist leider nicht kostenlos zu haben.

*

Was aber passiert gerade? Alles duckt sich weg. Fast 60% der in einer Umfrage des Deubner Verlags befragten Rechtsanwälte (!) hatten sich bis Mitte März 2018 nach eigener Aussage noch gar nicht mit der Umsetzung der DS-GVO beschäftigt. Typische Aussagen waren: „werde demnächst in Rente gehen“, „habe keine entsprechende Mandantschaft“, und ein Kollege schrieb gar dezidiert auf die Frage, ob er sich mit dem neuen Recht beschäftige: „Nein, und ich werde es auch nicht tun!“ Im Internet publizierte Umfragen unter Unternehmern oder Sportvereinen sahen noch schlechter aus. Ist das etwa die typisch deutsche „Vogel-Strauß-Politik“ immer wenn komplizierte Neuigkeiten anstehen?

Hilft aber nix: das Recht gilt und ist zu beachten. Sie selber wollen sich ja auch nicht aufgrund einer Datenpanne bei YouTube bewundern, wie Sie beim letzten Zug durch die Gemeinde morgens um 3… aber lassen wir das. Machen wir uns lieber klar: Datenschutzrecht heißt erst einmal Selbstkontrolle. Sie haben es selber in der Hand, die Vorgaben so umzusetzen, dass die Aufsichtsbehörde niemals vorbeischaut.

Was Sie im Einzelnen tun müssen, um zu den Gewinnern zu zählen, kann ich Ihnen in diesem Beitrag nicht verraten. Dazu schreibe ich aber alles, was Sie wissen müssen, in meinem neuen Buch „Fit für die DS-GVO“, das in drei Wochen im Deubner Verlag erscheinen wird, und das ich zusammen mit dem lieben Kollegen Christian Solmecke in echter Teamarbeit – und in Rekordzeit – aufgelegt habe. Denn wir haben uns vieles angesehen, was bisher zum Thema veröffentlicht wurde, und dachten uns: das geht auch einfach und verständlich! Dieses Buch erklärt das neue Datenschutzrecht in klarem Deutsch und dennoch vertieft. Es liefert dem Unternehmer und Vereinsvorstand Checklisten, Muster und Tipps, wie er die neuen Regeln schnell und effizient umsetzt. Wir schreiben dieses Buch, um Ihnen zu zeigen, dass Sie keine Angst haben müssen und die gebotenen Maßnahmen rasch umsetzen können. Wenn Sie HEUTE starten.

Das alles unter dem Motto: wir reden nicht lang und breit von Problemen, wir zeigen die Lösung auf!

Und wem das nicht reicht: ich werde als IT-Fachanwalt und zertifizierter Datenschutzbeauftragter gerne jedem Unternehmen und jedem Verein zur Seite stehen, die neuen Vorgaben pünktlich umzusetzen. Sprechen Sie mich an. Es kostet weniger als Sie denken. Und definitiv weniger als das mögliche Bußgeld.

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IT-Recht: Darf ich fremde eMails veröffentlichen?

Mittwoch, 14. März 2018 17:48

Da staunt der Fachmann, und der Laie grinst breit: „Du bist eine ganz armselige Figur“, schreibt mir ein Gegner per eMail. Nachdem ich ihm gerade gerichtlich habe verbieten lassen, mich noch einmal zu kontaktieren. Das hatte er nämlich schon einige Male auf das Unflätigste getan, und ich habe keine Lust mehr, das ewig gleiche Gesöre zu lesen. „Solch rechte Subjekte wie sie werden aus der Justiz entfernt. Mehr als zum Strassenkehren sind sie eh nicht geeignet.“ Und so geht es weiter. Ja, ich grinse. Das Ordnungsgeld in vierstelliger Höhe ist ihm sicher. Und eine erneute Abmahnung. Und eine erneute Strafanzeige. Kann er das Ordnungsgeld nicht zahlen, geht’s in den Bau. Es war schon immer etwas teurer, ein schimpfwütiger Wutbürger zu sein.

Darf ich diese private Mail denn hier überhaupt veröffentlichen? Schimpftirade oder nicht: die eMail, hat er mir geschickt, und sonst niemandem. Und überhaupt: hätte er sachlich geschrieben, dürfte er dann nicht darauf vertrauen, dass diese eMail nicht an die Öffentlichkeit gelangt?

Eine gute Gelegenheit, einmal grundsätzlich nachzudenken, wie man mit fremden eMails verfahren darf.

  1. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

Was im Grundgesetz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ heißt, wird dann u.a. als „allgemeines Persönlichkeitsrecht“ zum einklagbaren Grundrecht. Ausfluss dieses Rechts ist die Privat- und erst recht die Geheimsphäre eines Menschen. Was er spricht oder anderen vertraulich mitteilt, ist seine Sache. Das ungefragte Veröffentlichen von eMails ist daher ein Verstoß gegen dieses Recht und zieht im Zivilrecht Unterlassungs- und ggf. Schadensersatzansprüche nach sich. Bereits 2010 entschied das OLG Stuttgart (Urt. v. 10.11.2010 – 4 U 96/10), dass eine solche Veröffentlichung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfassers verletzt. Das OLG Hamburg (Beschl. v. 20.01.2013 – 7 W 5/13) meinte, „jede sprachliche Festlegung eines bestimmten Gedankeninhalts ist Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers, woraus folgt, dass ihm grundsätzlich allein die Befugnis zusteht, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“

  1. Wann darf ich, wann darf ich auf keinen Fall veröffentlichen?

Dies gilt aber nicht unbeschränkt, v.a. kann die Veröffentlichung gerechtfertigt sein, wenn das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung das Interesse des Absenders, privat zu bleiben, überwiegt. Dies ist dann der Fall, wenn nur das „normale Miteinander“, also die Sozialsphäre betroffen ist, ich aber ein großes Interesse habe, den Inhalt zu veröffentlichen. In meinem Fall war das so, und dieses Recht nehme ich erst einmal in Anspruch: der Pöbel hat kein Recht, ungenannt zu bleiben, erst recht nicht, wenn ich ihn gar nicht namentlich bezeichne. So einer hat das geringste Recht, eine Veröffentlichung seiner rhetorischen Glanzleistungen zu verhindern.

Deshalb durfte Til Schweiger eine wenig schmeichelhafte PN einer FB-Nutzerin auch auf seiner Profilseite veröffentlichen und süffisant kommentieren (auch wenn der Beitrag wenig schmeichelhaft für IHN war, LG Saarbrücken, Urt. v. 23.11.2017 – 4 O 328/17). Dieses Urteil ist als “Facebook-Pranger-Urteil” nicht unbestritten geblieben. Ob es in der Berufungsinstanz hält, ist ungewiss.

Hierbei handelt es indes um absolute, und umstrittene, Ausnahmen. Es gibt Kollegen, die jedwede Veröffentlichung für rechtswidrig halten und konsequent abmahnen. Ein normaler Austausch von Argumenten darf auch dann nicht veröffentlicht werden, wenn es um so die Öffentlichkeit bewegende Themen wie die Flüchtlingskrise geht (LG Hamburg, Urt. v. 10.03.2017 – 324 O 687/16). In diesen Fällen wird regelmäßig kein überwiegendes Veröffentlichungsinteresse zu begründen sein, zumal jede eMail sensible Informationen enthält, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Mails aus dem innersten privaten Bereich (Intimbereich) dürfen niemals veröffentlicht werden: Veröffentlicht ein Facebook-Nutzer bei Facebook etwa intime Details und Fotos aus einer Beziehung, kann ihm das untersagt werden (LG Frankfurt, Urt. v. 21.12.2017 – 2-03 O 130/17).

  1. Gibt es Ausnahmen für geschäftliche eMails?

Bei geschäftlichen eMails (also solchen, die zwei Geschäftsleute im geschäftlichen Interesse austauschen und ein Verbraucher nicht beteiligt ist) darf, im Gegensatz zu privaten, grds. das Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung anerkannt werden, denn hier ist selten die Intimsphäre betroffen, sondern lediglich die Sozialsphäre. Dies gilt auch dann, wenn der Absender sich die Vertraulichkeit ausdrücklich ausbedungen hat (OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.6.2012 – 5 U 5/12-2: der einer E-Mail angefügte Disclaimer als lediglich einseitige Erklärung ist unter keinen Umständen geeignet, eine Verpflichtung des Empfängers auf Unterlassung der Veröffentlichung der eMail zu begründen). Die Abwägung fällt allerdings auch hier nicht automatisch zugunsten des Empfängers der eMail aus: die Interessen des Absenders können v.a. dann betroffen sein, wenn die Veröffentlichung seinen Betrieb in schlechtes Licht wirft. Und dies ist ein sehr subjektiver Begriff. Ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung ist denkbar, wenn der Empfänger ein geschäftliches Interesse hat, seine Kunden „in angemessener Form“ (OLG Saarbrücken, a.a.O.) zu informieren.

  1. Fazit

Erhalte ich eine private Nachricht, sollte sie auch privat bleiben. Ich rate jedem, der an eine Veröffentlichung denkt, dies vorher genau zu prüfen, an das Heer chronisch unterbeschäftigter Rechtsanwälte zu denken und dann dem englischen Sprichwort zu folgen: „if in doubt, don’t.“ Was einem der gesunde Menschenverstand ja auch schon sagt.

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Verkehrsrecht: Widerruf eines Autokredites der VW Bank

Sonntag, 18. Februar 2018 22:16

Neue Munition für „Dieselgate“-Geschädigte:

Widerruf eines Autokredites der VW Bank möglich!

VW-Kunden, die sich wegen der Dieselaffäre oder der wenig kundenfreundlichen Handhabung derselben durch den Autokonzern ärgern, erhalten durch neuere Urteile diverser Landgerichte die Möglichkeit, die Verträge auch Jahre nach Vertragsschluss noch rückabzuwickeln. Dies kann für die Kunden sehr lukrativ sein.

So hat das Landgericht Berlin mit Urteil vom 05.12.2017 − 4 O 150/16, festgestellt, dass ein Verbraucher einen VW Bank-Kredit wirksam widerrufen hat, weshalb der Vertrag nun rückabzuwickeln ist. Die VW Bank hatte ihm nicht alle gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtinformationen erteilt. Damit trägt die VW Bank nicht nur das Risiko des Wertverlustes, es ist grds. verpflichtet, dem Verbraucher alle (!) Zahlungen nebst Zinsen und Nutzungsentschädigung für das Kapital zu ersetzen.

Der Fall

Der Kläger hatte im August 2014 einen gebrauchten VW Touran zu einem Kaufpreis von 22.800 € erworben. Der Kilometerstand betrug zum Zeitpunkt des Kaufs 14.100 km. Zur Finanzierung zahlte der Verbraucher der VW Bank eine Anzahlung von 8.000,00 € und Raten von monatlich 245,48 €.

In den Vertragsunterlagen wies die Bank zwar auf ein bestehendes ordentliches Kündigungsrecht und darauf hin, dass sie selber etwa bei Zahlungsverzug zur außerordentlichen Kündigung des Kreditvertrages berechtigt sei. Dass der Kunde den Vertrag nach § 314 BGB auch außerordentlich kündigen kann, wenn ihm ein Festhalten am Vertrag nicht länger zuzumuten sei, verschwieg der Vertrag aber. Die Bank klärte den Kunden im Vertrag auch nicht darüber auf, wie sie die Vorfälligkeitsentschädigung berechne, wenn der Kunde den Vertrag vorzeitig kündige.

Im März 2016 erklärte der Verbraucher den Widerruf des Vertrags, den die Bank naturgemäß wie postwendend zurückwies. Deshalb erhob er Klage zum Landgericht Berlin.

Die Lösung

Das Landgericht Berlin hat den Widerruf für wirksam gehalten und die Bank verurteilt, ca. 12.400 € an den Kläger zurückzuzahlen. Der Kläger könne seinen Vertrag auch noch eineinhalb Jahre nach Vertragsschluss widerrufen. Die Bank hätte den Kunden sowohl auf alle gesetzlichen Kündigungsmöglichkeiten, als auch auf die von der Bank im Falle einer vorzeitigen Kündigung angewendete Berechnungsmethode zur Ermittlung der Vorfälligkeitsentschädigung hinweisen müssen. Da sie dies nicht tat, habe die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen und der Verbraucher habe noch im März 2016 wirksam den Widerruf erklären können.

Ebenso haben

  • das LG Arnsberg (Urt. v. 17.11.2017 ­− I-2 O 45/17) und
  • das LG Ellwangen (Urt. v. 25.1.2018 − 4 O 232/17)

entschieden.

Die Folgen

Der Widerruf führt nach allen zitierten Gerichten zu folgenden Konsequenzen:

  • Der Verbraucher erhält alle geleisteten Zahlungen, also Anzahlung plus Raten, zurück;
  • Die Bank hat Anspruch auf die nach dem Darlehensvertrag geschuldeten Zinsen in Höhe von ca. 1.000 € von dem Zeitpunkt der Auszahlung bis zum Widerruf;
  • im Gegenzug muss der Kunde das jeweils finanzierte Fahrzeug der Bank zurückgeben;
  • ebenso kann die Bank die übliche Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer verlangen.

Ob der Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer tatsächlich besteht, ist allerdings fraglich. Nach Erlass der Verbraucherrechte-Richtlinie sind umfassende Gesetzesänderungen zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen in Kraft getreten, die einen solchen Anspruch bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung gerade ausschließen sollen. Bei Widerruf eines Autokredits mit Vertragsabschluss ab 13. Juni 2014 ist meiner Meinung nach gerade keine Nutzungsentschädigung für bereits gefahrene Kilometer zu zahlen. Dies werden die in o.g. Fällen angerufenen Oberlandesgerichte und wahrscheinlich der BGH klären.

Die Nutzungsentschädigung berechnet sich üblicherweise nach dem Bruttokaufpreis im Verhältnis der zurückgelegten Kilometer zu der erwarteten Gesamtlaufleistung.

Fazit

Hat die VW- oder eine andere Bank Sie fehlerhaft über Ihr Widerrufsrecht belehrt, ist die Lösung denkbar einfach: erklären Sie den Widerruf – das geht m.E. auch bei schon beendetem Vertrag −, geben Ihr finanziertes Fahrzeug zurück und erhalten Ihr Geld unter Anrechnung der Zinsen und einer Pauschale für die gefahrenen Kilometer zurück. Besonders interessant ist dies für „Dieselgate“-Geschädigte, die auf diese Weise der manchmal verworrenen und unübersichtlichen Rechtsprechung der vielen hiermit befassten Gerichte entgehen können und wesentlich unkomplizierter ihr Geld zurückbekommen und ihr Fahrzeug wieder loswerden, als gegen Ihr Autohaus oder die Volkswagen AG vorzugehen. Auf diese Weise begegnen Sie auch dem sehr wahrscheinlichen Risiko eines Wertverlustes von Dieselfahrzeugen, dass Sie so auf die Bank abwälzen können. Dieselfahrzeuge gelten zunehmend als schwer verkäuflich, was erheblich den Wert drückt.

Wichtig: die o.g. wegweisenden Urteile betreffen nicht allein VW-Kunden und Geschädigte des Abgasskandals. Sämtliche Finanzierungsverträge, die nach dem 11. Juni 2010 abgeschlossen worden sind, könnten von dieser Entscheidung profitieren und sollten überprüft werden. Bitte erklären Sie nicht vorschnell den Widerruf ohne Prüfung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht, um etwa Probleme mit Ihrem Rechtsschutzversicherer zu vermeiden.

 

 

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Arbeitsrecht: Dembele und die Folgen

Freitag, 18. August 2017 8:46

Der Fall Dembele – rechtlich gesehen

(aus SaaleJournal v. 17.08.2017)

Der Fall erregt im Moment die Gemüter Fußball-Deutschlands wie selten einer zuvor: der 20jährige Ousmane Dembele, gerade einmal ein Jahr für den Deutschen Pokalsieger 2017 Borussia Dortmund kickend und noch mit einem Vertrag bis zum Jahr 2021 versehen, „streikt“ derzeit, verweigert gar nach übereinstimmenden Presseberichten den Kontakt zu den Vereinsverantwortlichen und soll sich gar in Frankreich aufhalten. Er möchte so seinen finanziell gewiss lukrativen Wechsel zum spanischen Weltverein Barcelona erzwingen.

Nicht selten werde ich gefragt, was da eigentlich für Profifußballer gilt. Dürfen die „streiken“ und bekommen trotzdem noch ihr horrendes Entgelt pünktlich zum 1. des Monats überwiesen?  Ist eine Kündigung möglich? Darf der Verein ihm dafür wenigstens eine Strafe aufbrummen? Kann er ihn ggf. zwingen zu trainieren? Schauen wir uns die rechtlichen Möglichkeiten in einem solchen Fall einmal etwas genauer an:

Profifußballer sind Arbeitnehmer

Zunächst das, was ohnehin jeder vermutet hat: Profifussballer sind Arbeitnehmer, wie jeder andere auch. Sie unterschreiben befristete Arbeitsverträge, die dann mit dem vereinbarten Enddatum auslaufen, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Wie bei jedem anderen Arbeitnehmer kann der Arbeitsvertrag eines Profifußballers ohne das Vorliegen eines sachlichen Grundes für die Dauer von zwei Jahren höchstens drei Mal befristet werden (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Also ist die Vertragsdauer Dembeles schon rechtswidrig? Nein, bei Arbeitsverträgen zwischen einem Bundesliga-Verein und einem Lizenzspieler ist eine Befristung auch darüber hinaus gem. § 14 Abs. 1 S. 2 TzBfG zulässig, weil ein sachlicher Grund gegeben ist. Im Juristendeutsch heißt dies: „Die Befristung ist durch die Eigenart der Arbeitsleistung als Profispieler gerechtfertigt“ (LAG Rheinland-Pfalz, Urt v. 17.2.2016 – 4 Sa 202/15). Oder auf Deutsch: gute Gründe wie die Planungssicherheit auf beiden Seiten, das Recht des ausbildenden Vereins auf Ausbildungsentschädigung, die insg. kurze Laufzeit der Karriere eines Profisportlers mit einer zwangsläufigen Verringerung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit nebst steigender Verletzungsanfälligkeit usw. sprechen dafür, eine solche Befristung ausnahmsweise zuzulassen.

Kündigung möglich?

Grds. ist ein befristeter Arbeitsvertrag nicht ordentlich kündbar. Dafür hat man sich ja gerade für eine feste Laufzeit geeinigt. Beide Seiten können dennoch vereinbaren, dass das Recht zur ordentlichen Kündigung bestehen bleiben soll. Auf Seiten des Spielers heißt das dann „Ausstiegsklausel“. Eine solche hat Dembele offenbar nicht. Eine ordentliche Kündigung bleibt ihm verwehrt, auch wenn er Gefahr läuft, für die kommenden drei Jahre nur 6 Mio. € brutto statt der erhofften 11 Mio. € pro Jahr zu verdienen. Der Verein wiederum kann, da er ja mindestens 11 Spieler haben muss, nach der gesetzlichen Wartefrist nur aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen i. S. d. KSchG kündigen. Dies wird er in der Regel nicht tun, da er dann keine Ablösesumme kassiert.

Was, wenn ein neuer Trainer ein neues taktisches Konzept durchsetzt und für einen Spieler keine weitere Verwendung hat? Dies ist nach ArbG Rosenheim, Urt. v. 23.7.2013 – 1 Ca 621/13, SpuRt 2014, S. 36, kein hinreichender Grund für eine betriebsbedingte Kündigung des Spielers. Auch bei Beleidigungen des Trainers durch den Spieler kommt diesem die menschenfreundliche Rechtsprechung deutscher Arbeitsgerichte zugute: nach einem Urteil des ArbG Leipzig vom 17.12.1998 – 16 Ca 14177/97 rechtfertigt nicht einmal der Spruch „Ich hau dir in die Fresse!“ eine außerordentliche Kündigung, sofern der Arbeitnehmer diesen Spruch in einer erhöhten Drucksituation unbedacht „raushaut“.

Beschäftigungsanspruch

Wie alle Arbeitnehmer hat der Profifußballer einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung. Der Verein darf ihn nicht ohne Weiteres aus dem Trainings- und Spielbetrieb der Mannschaft ausschließen. Der Spieler kann nur durch das Training seine Leistungsfähigkeit und damit seinen Marktwert erhalten. Die Teilnahme am Training hat für ihn existentielle Bedeutung. Ein kurzfristiges Fernhalten des Spielers vom allgemeinen Mannschaftstraining ist als Disziplinarmaßnahme ausnahmsweise zulässig, um Störungen des Trainingsbetriebs zu vermeiden, was wiederum voraussetzt, dass der Rest der Mannschaft den entsprechenden Spieler als Störung empfindet (LAG Hamm, Urt. v. 17.10.1984 – 14 Sa 1629/84). Eine dauerhafte Suspendierung wie hier begegnet daher rechtlichen Bedenken, allerdings scheint Dembele ohnehin derzeit kein Interesse daran zu haben, beim BVB noch einmal zu trainieren, und wo kein Kläger, da kein Richter.

Einen Anspruch, bei Pflichtspielen des Vereins auch tatsächlich eingesetzt zu werden, hat der Spieler natürlich nicht, sonst würde der Trainer überflüssig werden, der die Entscheidung nach billigem Ermessen trifft. Dies ist nichts anderes als das Weisungsrecht des Arbeitgebers, das der Trainer für diesen also wahrnimmt (BAG, Urt. v. 22.8.1984 – 5 AZR 539/81, NJW 1986, 2904). Allerdings darf der Profifußballer, der nach seinem Vertrag in der 1. Mannschaft eingesetzt werden soll, gegen seinen Willen nicht in einer nachrangigen Amateurmannschaft eingesetzt werden, denn eine solche „Degradierung“ geht auch bei anderen Arbeitnehmern nicht (ArbG Münster, Urt. v. 20.8.2009 – 1 Ga 39/09, SpuRt 2011, S. 77)

Kann umgekehrt der Verein den Spieler nötigenfalls gerichtlich zwingen zu Training und Pflichtspiel zu erscheinen? Verklagen kann er ihn, vermutlich erhält er auch ein entsprechendes Urteil. Nur vollstrecken lässt sich dieses nicht, § 888 Abs. 3 ZPO. Dies dürfte der Grund sein, weshalb es zu solchen verfahren gar nicht erst kommt.

Ohne Arbeit kein Lohn

Muss Borussia Dortmund Dembele weiter bezahlen, obwohl der Spieler nicht zum Training erscheint? Hier ist das Gesetz eindeutig: Arbeit ist grds. nicht nachholbar. Braucht der Arbeitnehmer aber nicht (nach) zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, § 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Ausnahmen u.a. natürlich: Krankheit des Arbeitnehmers oder ein Grund, der in der Verantwortungssphäre des Arbeitgebers liegt. Auch bei Streik des Arbeitnehmers entfällt die Vergütungspflicht, sei es aus den edlen Motiven seiner Gewerkschaft oder um seine Kündigung zu provozieren.

Davon zu unterscheiden ist freilich der Fall einer tatsächlichen oder vermeintlichen Minderleistung des Arbeitnehmers, neudeutsch „low performer“ genannt: in diesem Fall kommt eine Gehaltskürzung nicht in Betracht. Der Arbeitnehmer bekommt sein Geld für die Zeit, die er im Betrieb verbringt, nicht für die Qualität seiner Leistung. Würde Dembele also erscheinen, aber nur über den Rasen traben, könnte sein Arbeitgeber nicht mit Gehaltskürzung reagieren. Er wäre auch schlecht beraten, dies zu tun, denn dann würde er seinem Spieler einen Grund zur fristlosen Kündigung auf dem Silbertablett servieren.

Sanktionen

Wie verlautet, hat Borussia Dortmund auf das erstmalige grundlose Nichterscheinen des Spielers zum Training mit einer Geldstrafe „im unteren sechsstelligen Bereich“ reagiert. Hierbei handelt es sich um eine Vertragsstrafe i.S.d § 339 BGB, von der davon ausgegangen werden darf, dass der Arbeitsvertrag der Parteien eine solche Möglichkeit ausdrücklich zulässt, denn der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe nicht einseitig auferlegen. Hierbei muss der Arbeitsvertrag aber deutlich wie unmissverständlich aufführen, welcher konkrete Vertragsverstoß welche Sanktion nach sich ziehen soll. Auch die verhängte Höhe ist gerichtlich voll überprüfbar, wobei eine Vertragsstrafe von bis zu einem Monatsgehalt für einen Vertragsbruch für angemessen gehalten wird (BAG NZA 2004, 727, 733). Wer jetzt angesichts o.g. Zahl den Taschenrechner zückt, wird gegen die verhängte Sanktion wohl keine Bedenken haben. Diese darf im Übrigen grds. für jeden Verstoß gesondert vereinbart werden. Hierüber ist freilich nichts zu hören, was angesichts der absehbaren Trennung der Vertragsparteien schon für sich spricht. Natürlich wird Dembele nach Barcelona wechseln.

Fazit

Profifußballer verdienen wie Investmentbanker, sind aber „normale“ Arbeitnehmer“. Dies mag erklären, warum sie sich mitunter wie Rotz am Ärmel benehmen. Ihnen steht der volle Schutz des Arbeitsrechts zu, dem auf Seiten des Arbeitgebers nur wenige Möglichkeiten gegenüberstehen, sie zur Vertragstreue anzuhalten. Will der Arbeitnehmer ein lukrativeres Angebot annehmen, wird er dieses Ziel regelmäßig erreichen. Dass Borussia Dortmund in diesem Fall die wenigen bestehenden Möglichkeiten zur Gegenwehr konsequent nutzt, ist nur zu begrüßen.

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Verkehrsrecht: Handyverbot wird zu Geräteverbot

Mittwoch, 5. Juli 2017 21:52

Handyverbot wird zum Geräteverbot. Ein weiteres Gesetzesfiasko droht

Der Verkehrsrechtler hat sich noch nicht von dem Schock erholt, den der Bundestag am vergangenen Freitag dem Publikum mit der Erweiterung des § 44 StGB bereitet hat, da droht eine weitere katastrophale Verschlimmbesserung, die zur Abwechslung einmal nicht der Mann verantwortet, der das Grundgesetz geschrumpft hat, sondern Bundesverkehrsminister Dobrindt (CSU).

Ich hatte es ja hier schon beschrieben: das sog. „Handyverbot“ am Steuer ist Recht, das in weiten Teilen der kraftfahrenden Bevölkerung noch nicht angekommen ist. „Der telefonierende Kraftfahrzeugführer mit dem Handy am Ohr und der Kurznachrichten eintippende Fahrer mit dem Mobiltelefon in der Hand gehören bedauerlicherweise zum täglichen Verkehrsgeschehen“, zürnt der Verkehrsminister lt. Bundesratsdrucksache 424/17 v. 30.05.2017, das der Bundesrat am kommenden Freitag, 07.07.2017, beschließen will. Er meint, die derzeitige Regelung werde „nicht ernst genommen“ und fehle der „generalpräventive Charakter der Bewehrung“, oder auf Deutsch: das derzeit fällige Bußgeld reicht nicht, das Handy vom Steuer zu verbannen.

Also mehr Kontrolle? Nein, viel zu einfach. Die Lösung lautet:

Anpassung des § 23 Absatz 1a StVO im Sinne einer technikoffenen Formulierung“.

Wot??? Was soll das heißen? Gemach, ich erkläre es gleich.

Zunächst das Wichtigste, der Bimbes. Ein elektronisches Gerät rechtswidrig benutzen, kostet künftig 100 €, mit Gefährdung 150 € mit Fahrverbot 1 Monat sowie mit Sachbeschädigung gar 200 € mit Fahrverbot 1 Monat. Radfahrer werden künftig mit 55 € zur Kasse gebeten. Berlin gönnt den öffentlichen Haushalten also einen ordentlichen Schluck aus der Pulle. Man beachte, dass bei „Gefährdung“, was das in der Praxis auch immer heißen mag, ein Fahrverbot droht.

Und was bedeutet nun „technikoffene Formulierung“?

Genießen Sie einmal folgende Gesetzesfassung, die sich die nahe am Volk lebenden Praktiker aus dem Ministerium ersonnen haben.

So sieht sie derzeit aus:

„(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.“

Und so soll sie künftig aussehen:

„(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn

  1. hierfür das Gerät nicht aufgenommen und nicht gehalten wird und
  2. entweder
  3. a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder
  4. b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitiger Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist, die einen Zeitraum von einer Sekunde nicht überschreitet.

Geräte in Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder. Handelt es sich bei dem Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, um ein auf dem Kopf getragenes visuelles Ausgabegerät, insbesondere eine Videobrille, darf dieses nicht benutzt werden. Verfügt das Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, über eine Sichtfeldprojektion, darf diese für fahrzeugbezogene, verkehrszeichenbezogene, fahrtbezogene oder fahrtbegleitende Informationen benutzt werden. Absatz 1c und § 1b des Straßenverkehrsgesetzes bleiben unberührt.

(1b) Absatz 1a Satz 1 bis 3 gilt nicht für

  1. ein stehendes Fahrzeug, im Falle eines Kraftfahrzeuges vorbehaltlich der Nummer 3 nur, wenn der Motor vollständig ausgeschaltet ist,
  2. den bestimmungsgemäßen Betrieb einer atemalkoholgesteuerten Wegfahrsperre, soweit ein für den Betrieb bestimmtes Handteil aufgenommen und gehalten werden muss,
  3. stehende Linienbusse an Haltestellen (Zeichen 224).

Das fahrzeugseitige automatische Abschalten des Motors im Verbrennungsbetrieb oder das Ruhen des elektrischen Antriebes ist kein Ausschalten des Motors in diesem Sinne. Absatz 1a Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b gilt nicht für

  1. die Benutzung eines Bildschirms oder einer Sichtfeldprojektion zur Bewältigung der Fahraufgabe des Rückwärtsfahrens oder Einparkens, soweit das Fahrzeug nur mit Schrittgeschwindigkeit bewegt wird oder

  2. die Benutzung elektronischer Geräte, die vorgeschriebene Spiegel ersetzen oder ergänzen.“

Alles klar? Ich verstehe die neue Norm so: verboten ist alles, was der Fahrer aufnehmen oder halten kann: Navi, Autoradio, CD-Teil, Touchscreen, Diktiergerät und, ja, letzten Endes auch die Funkfernbedienung des Garagentors, denn die dient ja auch der Kommunikation. Ich muss erst den Motor ausstellen, dann darf ich so ein Gerät berühren. Die Start/Stop-Automatik zählt künftig nicht mehr, den bösen Ausrutscher des OLG Hamm, Beschl. v. 09.09.2014 – 1 RBs 1/14, hat der Gesetzgeber erstaunlich schnell ausgemerzt. Ob es genügt, wenn ich das zum Gerät führende USB-Kabel kurz aufnehme? Wetten nehme ich jetzt schon gerne an, wie die Oberlandesgerichte hier entscheiden werden.

„Kurze Blickzuwendung zum Gerät“

Sehr gelungen auch die Einschränkung des Verbots, wonach ich das Gerät nutzen darf, wenn

zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitiger Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist, die einen Zeitraum von einer Sekunde nicht überschreitet.

Auf Deutsch heißt dies: benötige ich künftig länger als eine Sekunde, um meine CD zu wechseln, kostet mich dies das Fünffache meiner CD. Und wer sich jetzt fragt, wie dies in der Praxis wohl kontrolliert werden soll, kennt die Praxis von OWi-Verhandlungen am Amtsgericht nicht: es findet sich sicher regelmäßig ein Polizist, der sich „absolut sicher“ ist, dass der „zweifelsfrei“ beobachtete Vorgang länger als eine Sekunde dauerte. Und das genügt natürlich für eine Verurteilung, Nachfrage zwecklos.

Wenn Sie sich jetzt über die „kurze Blickzuwendung zum Gerät“ wundern und sich fragen, warum nicht konsequenterweise Essen und Trinken am Steuer oder der kurze Blick auf die  Straßenkarte auf dem Beifahrersitz gleich mit verboten werden: ich weiß es nicht, logisch ist dies nicht.

Aber was ist neuerdings bei Gesetzesverschlimmbesserungen aus Berlin schon logisch?

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Verkehrsrecht: Handy am Steuer – unvernünftig und teuer

Donnerstag, 13. April 2017 17:31

Von Christian Sitter – Seit 2001 gilt das Verbot, am Steuer ein Mobiltelefon (oder wie ich es kurz nenne: Mobi, weil ich das neudeutsche Kunstwort „Handy“ nicht mag) zu benutzen. Dieses gilt übrigens, was kaum bekannt scheint, auch für Fahrradfahrer. Gut 16 Jahre später ist das Mobi aus dem Straßenverkehr immer noch nicht wegzudenken. Nach einer Studie der TU Braunschweig haben von 12.000 vorbeifahrenden Autos rund 540 der Fahrer  an ihrem Smartphone hantiert. Die Studie spricht von einer im Vergleich zu anderen Ländern „alarmierend hohen Rate von Tippen während der Fahrt“ in Deutschland. Der Fahrer schaut „nur mal eben“ auf eine eingegangene WhatsApp-Nachricht und wundert sich, zwei Wochen später Post von der Bußgeldstelle zu bekommen. Geht es nach dem Willen des Bundesverkehrsministers, werden künftig für einen Verstoß mindestens 100,00 €, bei „schweren Fällen“ gar bis zu 200,00 € fällig, Fahrverbot inklusive. Kein Wunder, dass Betroffene hier besonders kreativ sind, wenn es um Ausreden geht, indes: die allermeisten Ausreden haben vor Gericht keine Chance, was bei einem Blick auf die böse Verbotsnorm nicht verwundet. § 23 Abs. 1a StVO lautet:

„(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein Mobil- oder Autotelefon nicht benutzen, wenn     hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.“

Was bedeutet “Benutzen eines Mobiltelefons”?

Ich “benutze” demnach, so scheints, stets ein Mobi, wenn ich es aufnehmen oder halten muss. Ich benutze es also nicht, wenn es lediglich auf dem Beifahrersitz liegt und ich rüberlinse. Nehme ich es irgendwie in die Hand, sieht es schon anders aus. Es muss auch gar nicht klingeln oder sonst wie etwas Aktuelles anzeigen: schaue ich mir etwa nur eine bereits gespeicherte SMS an, benutze ich das Gerät (OLG Hamm, Beschl. v. 01.02.2012 – III- 5 RBs 4/12), und zwar auch dann, wenn sich gar keine SIM-Karte im Gerät befindet (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.11.2006 – 3 Ss 219/05). Auch ein Mobi aufzunehmen, dessen Akku leer ist, schadet (OLG Köln, Beschl. v. 14.04.2009 – 83 Ss-OWi 32/09), selbst wenn der Fahrer nur kurz die Uhrzeit ablesen will (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.01.2014 – 1 SsRs 1/14; OLG Hamm, Beschl. v. 06.07.2005 – 2 Ss OWi 177/05). Musik hören darf ich im Auto auch nicht, wenn es sich um auf dem Mobi gespeicherte mp3-Dateien handelt und ich, wie auch sonst?, das Gerät zum Abspielen aufnehmen muss (OLG Köln, Beschl. v. 12.08.2009 – 83 Ss-OWi 63/09). Darf ich denn wenigstens die Diktierfunktion des Mobis während der Fahrt benutzen? Klares “Nein”, so OLG Jena, Beschl. v. 31.05.2006 – 1 Ss 82/06.

“Mit Kommunikation zu tun haben”

Die Rechtsprechung ist hier streng: alles ist verboten, was einen Bezug zu einer der Funktionen des Geräts hat (OLG Köln, Beschl. v. 02.12.2016 – 1 RBs 339/16; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.01.2014 – 1 SsRs 1/14; OLG Bamberg, Beschl. v. 27.04.2007 – 3 Ss OWi 452/2007; OLG Köln, Beschl. v. 23.08.2005 – 83 Ss OWi 19/05). Der Fahrzeugführer soll beide Hände fürs Fahren frei haben. Punktum. Nimmt er während der Fahrt ein Mobi auf, hat er fürs Lenkrad nur noch eine Hand frei und gehört bestraft.

Hier regt sich erstmals der Widerstand des zu Unrecht strikt logisch Denkenden: wer ein Diktiergerät ohne Telefonfunktion aufnimmt, fällt nicht unter das Mobiverbot. Im Grunde darf ich alles in der Hand halten, was nicht Mobi oder Autotelefon oder sonstwie zum Telefonieren geeignet ist: Radio, mp3-Spieler, Funkgerät (OLG Celle, Beschl. v. 17.06.2009 – 311 SsRs 29/09; dagegen aber AG Sonthofen, DAR 2011, 99), Butterbrot mit Marmelade usw… Lachen Sie nicht! Handelt es sich um Omas Selbstgemachte, wird der Genuss eines solchen Butterbrots mit köstlich süßem, aber leider reichlich flüssigem Aufstrich die Aufmerksamkeit des Fahrers wahrscheinlich mehr fordern als ein Telefonat mit derselben. Inkonsequent, aber wohl in der Natur liegend, hier nicht zu bestrafen. Denn Mobinutzung muss “mit Kommunikation zu tun haben” (OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2007 – 2 Ss OWi 606/07).

Apropos OLG Hamm, das hatte einen besonders niedlichen Fall zu entscheiden: der Fahrer war mit dem Mobi am Ohr erwischt worden, behauptete aber, er habe heftige Ohrenschmerzen gehabt und das Gerät wegen seiner Wärme zur Schmerzlinderung ans Ohr gehalten. Der Tatrichter hat ihm nicht geglaubt. Das OLG Hamm versicherte dann treuherzig in seiner Begründung, weshalb es die vom Betroffenen erhobene Rechtsbeschwerde nicht zuließ, dass “die Nutzung des Mobiltelefons als Wärmeakku” natürlich “keine Nutzung i.S. des § 23 Abs. 1a StVO wäre”. Weil das aber so klar sei, müßte das Gericht hierüber nicht befinden. Schöner kann man dem Rechtsunterworfenen wohl keine Abfuhr erteilen, gelle?

Wann ist es keine „Benutzung“?

Hin und wieder gelingt es dem Betroffenen oder seinem findigen Verteidiger aber doch, Justitia ein Schnippchen zu schlagen. Das AG Landstuhl, Urt. v. 06.02.2017 – 2 OWi 4286 Js 12961/16 – hat einen Betroffenen kürzlich frei gesprochen. Der hatte angegeben, „sein in der Frontablage liegendes, mit dem Freisprechsystem verbundenes Handy aufgenommen und in Richtung Mittelkonsole bewegt zu haben, um es dort in die Ladeschale zu stecken. Er habe keine Funktion des Telefons benutzt.“ Offenbar konnten die Polizeibeamten diese Einlassung nicht widerlegen. Zwar gibt es auch hier Rechtsprechung, die ein solches Verhalten für verboten erachtet (OLG Oldenburg, Beschl. v. 07.12.2015 – 2 Ss OWi 290/15), doch hält der Amtsrichter aus der Pfalz dies für eine “unzulässige Erweiterung des Tatbestands”. Das sehe ich auch so. Wer “nur” laden will, will nicht kommunizieren.

Konsequent deshalb auch OLG Köln, Beschl. v. 07.11. 2014- 1 RBs 284/14: die Fahrerin suchte während der Fahrt in ihrer Handtasche nach dem klingelnden Mobi, ergriff es und reichte es an ihren beifahrenden Sohn, der das Gespräch entgegennahm. Sie schwörte Stein auf Bein, sie habe vor der Weitergabe nicht auf das Display geschaut. Der Tatrichter verurteilte sie, das OLG Köln hob auf. Und der geneigte Leser fragt sich wiederum: „Nimmt sie das Gerät, schaut einen Bruchteil einer Sekunde auf das Display und/oder drückt das Gespräch weg, wird sie verurteilt. Gibt sie es “nur” weiter, nicht. Wer versteht das noch?”

Noch schöner im vergangenen Jahr das OLG Stuttgart, Beschl. vom 25.04.2016 – 4 Ss 212/16: der Fahrer gab zu Protokoll, er habe das Telefonat bereits vor Fahrtantritt begonnen. Nach Motorstart hatte sein Mobiltelefon über Bluetooth mit der Freisprecheinrichtung eine Verbindung hergestellt, so dass das Telefonat über diese Anlage fortgeführt worden war. Er habe lediglich vergessen, das Gerät abzulegen. Das OLG Stuttgart: kein “Aufnehmen”, Freispruch. Sicherlich auch ein interessanter Verteidigungsansatz.

Schließlich ist dem aufmerksamen Leser aufgefallen, dass das Mobi benutzt werden darf, solange der Motor ausgeschaltet ist, § 23 Abs. 1a S.2 StVO. Gilt dies auch bei Start/Stop-Automatik an der Ampel? Ja, so das OLG Hamm, Beschl. v. 09.09.2014 – 1 RBs 1/14.

Fazit:

Manches Gericht scheint bei der Ahndung von Verstößen wegen Mobilfunknutzung nach der Devise zu verfahren: „Berührt, geführt.“ Dagegen ist angesichts der großen Gefahr, die die unmotivierte Hantiererei während der Fahrt für unbeteiligte Verkehrsteilnehmer bringen kann, nichts einzuwenden. Zu vielen scheint nicht bewusst, wie schnell sie in einem Moment der Unaufmerksamkeit von der Fahrbahn abkommen und Personen, nicht zuletzt sich selbst, zu Schaden bringen können. Dass die Verbotsnorm hingegen so wenig Stütze bei den Kraftfahrern findet, könnte zum einen an der geringen Gefahr der Entdeckung, zum anderen an ihrer weiten Fassung liegen. Beides sollte dringend nachgebessert werden.

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Vertragsrecht: Knöllchen für zu langes Parken bei Aldi? Widerspruch lohnt!

Montag, 27. März 2017 18:45

Teurer Einkauf verärgert Kunden“, „Knöllchen für Dauerparker“ oder „Abzocke auf Parkplätzen“, waren nur einige der vielen Schlagzeilen zuletzt in der Zeitung, die alle ein neuartiges Phänomen beschreiben: die Parkplatzkontrolle von Supermärkten durch private Unternehmen. Um „Knöllchen“, also Bußgelder, geht es freilich gar nicht. Private dürfen gar keine Strafzettel verteilen.

Was ist das Problem? Supermärkte bauen teure Parkplätze, die sie ihren Kunden kostenfrei zur Verfügung stellen. Um dann mitansehen zu müssen, wie Fremdparker, nicht selten gar tagelange Berufsparker diese in Beschlag nehmen und die eigenen Kunden oft keinen Parkplatz mehr finden.

Was tun? Die „fair parken GmbH“ aus Düsseldorf weiß Rat: sie „pachtet“ das Parkplatzgelände und stellt Schilder wie dieses auf:

Wer dann dort parkt und seine Parkscheibe vergisst oder gar nicht auf die Schilder achtet, weil der Parkplatz eh wieder voll ist und die volle Konzentration der Parkplatzsuche gilt oder seine Parkdauer um wenige Minuten überschreitet, der erhält einen „Strafzettel“ hinter die Windschutzscheibe geklemmt, dass und wohin die 19,90€ zu überweisen sind. Kommt der Fahrer, der nach einem stressigen Einkauf perplex zum Wagen zurückkehrt, dem nicht nach, erhält der Fahrzeughalter dann etwa vier Wochen später einen Brief, der ihm nicht nur diese Kosten auferlegt, sondern gleich noch die Kosten der Halterabfrage, Mahngebühren, Inkassokosten, „Kosten der Abschleppvorbereitung“ und dergleichen mehr. So kann es kommen, dass der Kauf einer Tafel Schokolade bei Aldi 60 € und mehr kosten kann.

Darf Aldi den Parkplatz überhaupt von einem privaten Unternehmen überwachen lassen? Ja, das darf jeder Eigentümer mit seinem Eigentum so halten.

Müssen Sie dies zahlen? In vielen Fällen nicht.

Wie gesagt, es handelt sich nicht um ein Bußgeld, sondern eine Vertragsstrafe. Die aber nur dann fällig wird, wenn ich überhaupt einen Vertrag geschlossen habe. Nun gut, einfach auf den Parkplatz fahren und sagen: „ich will mit euch Dampfnasen gar keinen Vertrag schließen“, reicht nicht, hat der BGH im legendären „Hamburger Parkplatzfall“ schon 1956 entschieden. Das Schild „Parken nur mit Parkscheibe, ohne Parkscheibe oder bei Überschreiten der Höchstparkzeit von einer Stunde 19.90 € Vertragsstrafe“ ist nichts anderes als ein Vertragsangebot. Wer das Schild sieht und weiterfährt, hat durch schlüssiges Verhalten einen Vertrag über die Parkplatznutzung geschlossen. Wer es nicht sieht, weil es schlecht steht, nicht gleich ins Auge fällt oder die Schrift zu klein ist, hat im Zweifel keinen Vertrag geschlossen. Aber, Vorsicht Schutzbehauptung: Wer es sehen müsste und lediglich behauptet, es nicht gesehen zu haben, kommt damit in aller Regel nicht durch. Es genügt die Möglichkeit, sich in zumutbarer Weise Kenntnis zu verschaffen, § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Das heißt: der Fahrer, der einfährt, muss das Schild nicht “auf einen Blick” erfassen, aber er hat zur Not  noch einmal hinzugehen, um sich vollständig zu informieren. Das LG Kaiserslautern (Urt. v. 27.10.2015 – 1 S 53/15) etwa hatte zuletzt „keinen Zweifel“, dass das, was auf dem Schild steht, als „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ Vertragsbestandteil wird.

Und wenn der Halter gar nicht gefahren ist? Dann kann er auch keinen Vertrag geschlossen haben. Die „Halterhaftung“ gilt nur bei Verkehrsunfällen und eine Vollmacht, für mich Parkplatzverträge abzuschließen, habe ich meinem Filius nicht automatisch gegeben, wenn ich ihm meinen Wagen anvertraue. Das bedeutet: kann mir nicht nachgewiesen werden, dass ich gefahren bin, hafte ich auch nicht (auch das hat das LG Kaiserslautern entschieden).

Und wenn ich zahlen muss, muss ich alles zahlen? An den 19,90 € kommen Sie vielleicht nicht vorbei, wenn es aber 25 oder 30 € sein sollen, dürfte dies überhöht sein, wenn die Stadt sich mit 10 € begnügt. Dann ist der Vertrag insgesamt unwirksam, sie müssen nicht bezahlen. Alle anderen Posten zur wundersamen Forderungsvermehrung können Sie vergessen, denn diese haben Sie nicht veranlasst. Dass die Gegenseite eine „Halterabfrage“ macht, geht nicht zu Ihren Lasten, sie hätte halt warten müssen, um sie am Fahrzeug zu stellen. Mahngebühren oder Inkassokosten kommen erst in Betracht, wenn eine Rechnung vorliegt, die nicht bezahlt wird. Und ich kenne kein Gericht, dass „Kosten der Abschleppvorbereitung“ zugesprochen hätte.

Fazit:

Wer Beträge zwischen 30 und 60 Euro fordert, spekuliert darauf, dass der Betroffene anstandslos bezahlt, ohne einen Anwalt zu bemühen, dessen Honorar höher liegen wird als die Forderung, um die gestritten wird. Und der Rechtsschutzversicherer wird sich zunächst mal weigern, Kosten zu übernehmen, denn der „ruhende Verkehr“ ist grds. nicht versichert. Dies wissen die Parkplatzbetreiber natürlich. Ich schreibe diesen Beitrag, damit Sie sich auch ohne Anwalt wehren können, wenn Sie Post von der „fair parken GmbH“ bekommen.

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Verkehrsrecht: Geschwindigkeitsmessung durch Private – nicht alles ist erlaubt.

Montag, 27. März 2017 18:41

Geschwindigkeitsmessung durch Private – nicht alles ist erlaubt

aus: Verkehrsdienst Heft 3/17

Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns. V.a. Geschwindigkeitsmessungen im Rahmen der Verkehrsüberwachung stellen nach § 26 Abs. 1 StVG eine ureigene hoheitliche Aufgabe dar. Bedienen sich Kommunen hierbei der Hilfe externer privater Dienstleister, stellt sich die Frage nach der Verwertbarkeit solcher Messungen. Umstritten sind insb. jüngst durch ein Privatunternehmen in vielen Städten installierte Blitzersäulen, welche gar unter Gewinnbeteiligung durch den Hersteller betrieben werden.

Keine Verfolgung durch Privatpersonen

Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Private ist zu unterscheiden, ob ein lediglich im Privateigentum befindliches Geschwindigkeitsmessgerät gemietet oder geleast oder ob dieses auch vom Vermieter bzw. Leasinggeber betrieben wird. Ersteres begegnet keinen Bedenken, solange die Betriebsanleitungen des Herstellers beachtet werden, die Auswertung aber von den Messbeamten vorgenommen wird. Nach einhelliger Meinung nicht zulässig dagegen ist der Einsatz von Privatpersonen bei der Verfolgung und Ahndung von Geschwindigkeitsüberschreitungen. Diese darf weder ausdrücklich noch faktisch Privaten übertragen werden (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NStZ-RR 2016, 185; OLG Naumburg, Beschl. v. 07.05.2012 – 2 Ss (Bz) 25/12, n.v.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816). Nur das OLG Rostock (Beschl. v. 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15 (B), DRsp Nr. 2015/20415), hat jüngst entschieden, dass die vertraglich vereinbarte Auswertung der mit standardisierten Messverfahren bei behördlichen Verkehrsüberwachungsmaßnahmen ordnungsgemäß erhobenen und bei der Verwaltungsbehörde verbliebenen Rohmessdaten durch einen privaten Dienstleister zulässig sein soll. Zweifel an der Richtigkeit der Messung habe der Tatrichter durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären.

Behörde muss Herrin des Verfahrens bleiben

Unstrittig ist damit: Die Übertragung von Geschwindigkeitsmessungen auf private Unternehmen ohne Kontrollmöglichkeit ist unzulässig. Die Behörde muss „Herrin des Verfahrens“ bleiben (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NStZ-RR 2016, 185; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816). Ist der private Dritte allerdings im Rahmen eines „Leiharbeitsverhältnisses“ (BayObLG, Beschl. v. 17.02.1999 – 2 ObOWi 751/98, VRS 97, 62) oder arbeitsvertraglich (OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.03.2009 – 2 SsBs 42/09, NZV 2010, 163) in die Gemeinde integriert, so bleibt die Kommune „Herrin des Verfahrens“ und die Messung verwertbar.

Zulässiges Hinzuziehen von Privaten

Verbleibt die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Einsatz technischer Hilfsmittel bei der örtlichen Ordnungsbehörde, ist es unschädlich, wenn sie sich hierbei der Hilfe durch Privatpersonen bedient. Die örtliche Ordnungsbehörde hat hierbei sicherzustellen, dass die verwendeten Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte und die Auswertung von deren Daten den gesetzlichen Regelungen, insb. § 23 MessEV und § 24 MessEV i. V. m. § 46 MessEG entsprechen. Der Messbeamte als Verwender des Messgerätes hat sich in alleiniger Verantwortung vom ordnungsgemäßen Aufbau der Messanlage zu überzeugen, vorgeschriebene Funktionsprüfungen vorzunehmen und die Messung durchzuführen. Die Auswertung der Beweismittel, v.a. der Falldateien, die im Rahmen der Messung erfasst werden, des Messprotokolls und der Messskizze, sowie insbesondere die Entscheidung, ob und wie ein festgestellter Verkehrsverstoß verfolgt wird, ist hoheitliche Aufgabe und nicht delegierbar (OLG Frankfurt/M, Beschl. v. 28.04.2016, 2 Ss-OWi 190/16, NJW 2016, 3318). Ist die Authentizität der Falldateien sichergestellt, d.h. das in der Bußgeldakte befindliche lesbare und bewertbare Beweismittel muss aus der dazugehörigen Falldatei stammen, ist die Messung verwertbar. So ist lt. Rspr. unschädlich

  • die Prüfung der Position des Auswerterahmens auf den Fotodateien zum Zweck des Ausscheidens unbrauchbarer Bilder durch den privaten Dienstleister, sofern die Messung behördlich veranlasst und der Auswerterahmen korrekt im Foto justiert ist (OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816);
  • die Entnahme der Messrohdaten durch einen privaten Mitarbeiter, der sodann die Bildaufbereitung übernimmt und diese der Behörde zur weiteren Verwendung wieder überlässt, sofern die Auswertung der Falldatei durch die Ordnungsbehörde nachgeholt werden kann (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NZV 2016, 591).

Beweisverwertungsverbot

Beauftragen Ordnungsbehörden private Unternehmer mit der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten, stellt sich die Frage, ob Beweise überhaupt auf diese Art erhoben werden dürfen oder einem Verwertungsverbot unterliegen.

Einem Beweiserhebungsverbot folgt nach dem OLG Frankfurt (Beschl. v. 10.05.1995 – 2 Ws (B) 210/95 OWiG, DAR 1995, 335) und dem OLG Naumburg (Beschl. v. 07.05.2012 – 2 Ss (Bz) 25/12) zugleich auch ein Beweisverwertungsverbot, wenn die kommunale Ordnungsbehörde die fehlende Sachkunde des öffentlich Bediensteten bei der Messung kannte. Nach dem OLG Jena, Urt. v. 25.11.2008 – 1 Ss 230/08, DAR 2009, 283, ist das Beweiserhebungsverbot zu trennen vom Beweisverwertungsverbot. Aus einer rechtswidrigen Messung folge nicht in jedem Fall auch ein Beweisverwertungsverbot für das so gefundene, ansonsten technisch ordnungsgemäße Messverfahren. Es müsse eine Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit – eine Durchsetzung der Verkehrsvorschriften und Sicherstellung der Verkehrssicherheit einerseits – und andererseits dem Individualinteresse erfolgen. Nach dieser Auffassung besteht nur dann ein Beweisverwertungsverbot, wenn willkürlich oder unter bewusster Missachtung der geltenden Vorschriften das Beweisergebnis gewonnen wurde Das OLG Hamm (Beschl. v. 02.11.2010 – III-3 RVs 93/10, BeckRS 2010, 29288) steht auf dem Standpunkt, dass sich ein Beweisverwertungsverbot ergebe, je mehr das Verfahren der Geschwindigkeitsmessung in die Grundrechte des Betroffenen eingegriffen habe. Generell wird gelten: War Ziel der Messung die Aufrechterhaltung und Besserung der Verkehrsdisziplin, ist dies als Ziel beachtlich und gibt den Ausschlag. Ein Verstoß hiergegen kann aber mitunter zur Einstellung des Verfahrens bzw. zur Herabsetzung des Bußgeldes führen.

Praxistipp:

Das Thema ist insgesamt noch sehr „im Fluss“ und sollte sorgfältig beobachtet werden. Die Rspr. der OLGs tendiert ersichtlich in die Richtung, einzelne Tätigkeiten Privater im Ermittlungsverfahren als unproblematisch anzusehen, solange diese keinen Einfluss auf Messung und Messergebnis haben (OLG Frankfurt a.M., Beschl. v. 03.03.2016 − 2 Ss OWi 1059/15, NStZ-RR 2016, 185; OLG Rostock, 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15 (B), DRsp Nr. 2015/20415; OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.08.2016 – 4 Ss 577/16, DRsp Nr. 2016/16816).

 

 

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Verkehrsrecht: Tempomessungen stationärer Blitzer rechtswidrig?

Mittwoch, 14. September 2016 11:48

Eine Meldung der “Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen” vom 26.08.2016 hatte es in sich: “laut Richterspruch halten Messungen mit diesen Anlagen einer gerichtlichen Prüfung nicht stand.”

Gemeint war ein Bußgeldverfahren beim AG Kassel (Az. 386 Owi 9643 Js 822/16) und gemeint waren Messungen mit dem Messgerät “TraffiStar S350” der Fa. Jenoptik: dieses ist häufig, z.B. in Erfurt, Gotha, Jena oder Mühlhausen, in den jüngst installierten stationären Blitzersäulen im Einsatz, welche am Ortsein- oder -ausgang auf Ortsunkundige warten.

Mittlerweile ist das Verfahren, wie die VUT Sachverständigengesellschaft mbH & Co. KG gestern bestätigte, durch Freispruch abgeschlossen. Der vermeintliche Geschwindigkeitsverstoß konnte dem Betroffenen nicht nachgewiesen werden. Die Messung erwies sich bei näherem Hinsehen als nicht überprüfbar: Durch eine Änderung der Softwareversion beim Messgerät des Typs TraffiStar S350 sei eine Plausibilitätsüberprüfung der Messdatei durch einen Sachverständigen nicht mehr möglich. “Die Technik macht eine Weg-Zeit-Berechnung nicht nachvollziehbar”, so der Sprecher des AG Kassel. Ohne eine zuzuordnende Zeitangabe könne die Geschwindigkeitsangabe des Messgeräts unter Zuhilfenahme der Strecke nicht überprüft werden.

Was nun? Die Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Kassel will zunächst keine Verfahren mehr einleiten, die auf Messungen dieses Geräts basieren. Ob die anderen Städte nachziehen, wird sich zeigen. Sie betrifft der neue sachverständige Befund naturgemäß in gleicher Weise.

In jedem Fall ist jedem “Temposünder”, der sich durch den Vorwurf eines Geschwindigkeitsverstoßes ungerecht behandelt fühlt, anzuraten, einen Fachanwalt für Verkehrsrecht aufzusuchen, der ggf. schon frühzeitig die sachgerechten Anträge stellt, um das Verfahren in die richtigen Bahnen zu lenken. Der “TraffiStar S350” ist häufig auch mobil im Einsatz. Oft teilt die Bussgeldstelle in der Anhörung schon nicht mehr mit, welches Gerät zum Einsatz kam, etwa “Lasermessung”. Aus Gründen? Der “TraffiStar S350” arbeitet mit Lasertechnlogie.

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Erbrecht: Unleserliches Testament wirksam?

Dienstag, 23. August 2016 9:28

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Mein verstorbener Lebensgefährte hat mich in seinem Testament als Erbe eingesetzt und einige Vermächtnisse ausgesetzt. Ein Teil des Testaments ist allerdings unleserlich. Ist es wirksam?

 

 

Das OLG Schleswig hatte vor kurzem einen Fall zu entscheiden, in dem ein Textteil eines Testaments einige nicht deutlich lesbare Worte enthielt. Auch ein Schriftsachverständigter konnte die Worte nicht entziffern, so dass das Problem war, was der Erblasser mit diesen Worten gemeint hatte. Das Gericht entschied, dass ein formungsgültiges Testament mangels Leserlichkeit vorliegt. Das Testament erfülle nicht die gesetzlich vorgeschriebene Formvoraussetzung, wonach es eigenhändig ge- und unterschrieben sein muss. Folge ist, dass die Lebensgefährtin des Verstorbenen keine Erbin wurde. Ein gesetzliches Erbrecht steht ihr nicht zu. Erben wurden deshalb die Kinder des Verstorbenen. Diese Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, dass ein privatrechtlich verfasstes Testament lesbar ist. Der Wille des Erblassers kommt nicht zur Geltung, wenn der Testamentstext oder Teile hiervon nicht lesbar sind, da allein der Testierwille nicht über ein fehlendes Formerfordernis hinweg hilft. Sollte der Erblasser altersbedingt oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten haben seinen letzten Willen lesbar niederzuschreiben, so sollte er ein notarielles Testament errichten.

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