Autorenarchiv

Erbrecht: Unleserliches Testament wirksam?

Dienstag, 23. August 2016 9:28

Unternehmerabend 006

 

Mein verstorbener Lebensgefährte hat mich in seinem Testament als Erbe eingesetzt und einige Vermächtnisse ausgesetzt. Ein Teil des Testaments ist allerdings unleserlich. Ist es wirksam?

 

 

Das OLG Schleswig hatte vor kurzem einen Fall zu entscheiden, in dem ein Textteil eines Testaments einige nicht deutlich lesbare Worte enthielt. Auch ein Schriftsachverständigter konnte die Worte nicht entziffern, so dass das Problem war, was der Erblasser mit diesen Worten gemeint hatte. Das Gericht entschied, dass ein formungsgültiges Testament mangels Leserlichkeit vorliegt. Das Testament erfülle nicht die gesetzlich vorgeschriebene Formvoraussetzung, wonach es eigenhändig ge- und unterschrieben sein muss. Folge ist, dass die Lebensgefährtin des Verstorbenen keine Erbin wurde. Ein gesetzliches Erbrecht steht ihr nicht zu. Erben wurden deshalb die Kinder des Verstorbenen. Diese Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, dass ein privatrechtlich verfasstes Testament lesbar ist. Der Wille des Erblassers kommt nicht zur Geltung, wenn der Testamentstext oder Teile hiervon nicht lesbar sind, da allein der Testierwille nicht über ein fehlendes Formerfordernis hinweg hilft. Sollte der Erblasser altersbedingt oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten haben seinen letzten Willen lesbar niederzuschreiben, so sollte er ein notarielles Testament errichten.

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Familienrecht: Vorsorgevollmacht

Montag, 22. August 2016 12:37

Unternehmerabend 006

 

Ich habe von meinem pflegebedürftigen Vater eine Vorsorgevollmacht erhalten. Trotz Vorlage bei der Bank hat diese verlangt, dass ein Betreuerausweis vorgelegt wird, als ich die Überweisung einer Rechnung über das Konto meines Vaters vornehmen wollte. Ist das rechtmäßig?

 

 

Derjenige, dem eine wirksame Vorsorgevollmacht erteilt wird, in welcher der Vollmachtgeber verfügt, dass der Bevollmächtigte auch für den vermögensrechtlichen Bereich zuständig ist, kann über das Bankkonto wirksam verfügen. Die Bank ist nicht berechtigt einen zusätzlichen Betreuerausweis und/oder die Vorlage einer entsprechenden Bestellungsurkunde zu verlangen, um Kontoverfügungen des Bevollmächtigten zuzulassen. Wegen der Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht war die Erforderlichkeit einer Betreuung gem. § 1896 Abs. 2, Satz 2 BGB nicht notwendig. Hier ist festgelegt, dass eine Betreuung nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Sollten durch die Verweigerung der Bank hinsichtlich der Vornahme der Überweisung Schäden entstehen, so ist die Bank verpflichtet, diese zu ersetzen. Die Vorlage einer wirksamen Vorsorgevollmacht ist als Legitimation gegenüber der Bank ausreichend.

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Erbrecht: Kontovollmacht

Montag, 22. August 2016 11:22

Unternehmerabend 006

 

Meine Schwester verlangt nach dem Tod unseres Vaters als Miterbin Auskunft über eventuelle Schenkungen meines Vaters an mich und Rechnungslegung hinsichtlich des Giro- und Sparkontos meines Vaters. Dieser hatte mir eine Kontovollmacht erteilt. Bin ich dazu verpflichtet?

 

 

In erbrechtlicher Hinsicht steht dem Miterben gegen die oder den anderen Miterben grundsätzlich ein Anspruch auf Auskunft bezüglich der, an diesen durch den Erblasser gewährten Schenkungen zu, da der Erbe insoweit ggf. einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hat. Darüber hinaus steht dem auskunftsbegehrenden Miterben im Falle des Vorliegens einer Vollmacht grundsätzlich ein Anspruch auf Rechnungslegung und Herausgabe aus Auftragsrecht zu. Aus diesem Auftragsverhältnis resultiert ein dem Erblasser (Vollmachtgeber) zustehender Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung aus § 666 BGB, der nach dem Tod des Erblassers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben als Rechtsnachfolger übergeht. Damit ist der bevollmächtigte Miterbe nicht nur verpflichtet, Auskunft über Schenkungen der letzten zehn Jahre zu erteilen, sondern darüber hinaus viel weitergehend zur Rechnungslegung in Bezug auf die finanziellen Transaktionen, die er als Bevollmächtigter durchgeführt hat. Allein in einem Falle zwischen Eheleuten hat der BGH das Bestehen eines Auftragsverhältnisses verneint. Ein Verwandter oder eine sonstige Person, die eine derartige Vollmacht erhält, sollte deshalb im Rahmen des Auftragsverhältnisses bereits klar regeln, dass derartige Pflichten nach dem Tod des Vollmachtgebers nicht bestehen sollen. Auch hier ist zu empfehlen, erbrechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um derart umfassende Inanspruchnahme zu vermeiden.

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Verkehrsrecht: einmal 28 km/h zu schnell = Vorsatz?

Freitag, 24. Juni 2016 12:32

OLG Hamm: wer innerorts 28 km/h zu schnell fährt, handelt vorsätzlich

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Ein auf den ersten Blick normaler bis uninteressanter Beschluss, hinter dem sich allerdings enormes Konfliktpotential verbirgt: das OLG Hamm hat jüngst entschieden, dass ein Autofahrer ohne weiteres vorsätzlich handelt, wenn er innerorts 78 km/h statt der erlaubten 50 km/h fährt. Dies kann gravierende Auswirkungen haben, an die der Autofahrer zunächst gar nicht denkt, wie hier kurz dargestellt werden soll:

 

Worum geht es?

Hinter dem Ortseingangsschild gilt in aller Regel Tempo 50. Jeder Autofahrer weiß das. Fährt er zu schnell, droht, wenn er geblitzt oder gelasert wird, ein Verwarnungs- oder Bußgeld.

Dessen Höhe richtet sich nach dem Bußgeldkatalog.

In unserem Fall ist nach Nr. 11.3.5 ein Bußgeld von 100 € fällig plus 1 Punkt in Flensburg. Ein Fahrverbot ist hier noch nicht vorgesehen.

Der Bußgeldkatalog geht aber vom sog. „Regelfall“ aus und unterstellt dem Betroffenen zu seinen Gunsten, dass er fahrlässig zu schnell unterwegs war. Kann ihm hingegen Vorsatz nachgewiesen werden, ist gem. § 3 Abs. 4a BKatV der Regelsatz zu verdoppeln. Hat die Bußgeldstelle wegen relevanter Voreintragungen bereits erhöht, kommt die Verdopplung noch oben drauf. Nicht ausgeschlossen ist daneben, dass auch ein Fahrverbot verhängt wird, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Wann liegt aber Vorsatz vor, d.h. der Vorwurf an den Fahrer, wissentlich und willentlich zu schnell gefahren zu sein?

Das hängt v.a. von der Sicht des Betroffenen und seiner inneren Einstellung zur Tat ab. Diese kennt aber nur der Fahrer selbst. Das OLG Celle hat etwa am 28.09.2000 noch befunden, dass bei einem Geschwindigkeitsverstoß in der Tempo-30-Zone noch kein Raum ist, den Vorsatz einfach zu vermuten. Umso häufiger versucht der Richter, aus einer erheblichen Überschreitung der zugelassenen Geschwindigkeit Indizien für einen Vorsatz herzuleiten, „weil eine solche einem Fahrzeugführer wegen der erhöhten Fahrgeräusche und vor allem des sich schneller verändernden Umgebungseindrucks nicht verborgen geblieben sein kann“ (so etwa OLG Karlsruhe am 28.04.2006).

Auf dieser Linie liegt nun die Entscheidung des OLG Hamm vom 10.05.2016, das lapidar befindet:

Der Bußgeldrichter kann – ohne weitere Feststellungen zum Wissen und Wollen des Fahrzeugführers – von einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ausgehen, wenn der Fahrzeugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % überschritten hat.

Der Fall

Der 55 Jahre alte Betroffene war „vorbelastet“ und fuhr auch noch ein Fahrzeug der Nobelmarke aus Untertürkheim. Er befuhr in Höxter innerorts die B 64, eine Entlastungsstraße, wo die Höchstgeschwindigkeit 50 km/h beträgt. Eine Lasermessung ergab, dass es bei einem Überholmanöver die Höchstgeschwindigkeit um 28 km/h überschritt hatte. Das Amtsgericht Höxter verdreifachte die Regelbuße auf 300 Euro nach folgender Rechnung:

  1. Regelbuße:   100€
  2. erhöht wegen relevanter Voreintragungen (§ 3 Abs. 2-4 BKat): plus 50 € = 150 €
  3. Verdopplung wegen Vorsatz (§ 3 Abs. 4a BKat):   mal 2 = 300 €.

Die Entscheidung

Die hiergegen vom Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde hat das OLG Hamm mit Beschluss vom 10.05.2016 als unbegründet verworfen.

Der Betroffene sei zu Recht wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handele vorsätzlich, wer die Geschwindigkeitsbeschränkung kenne und bewusst dagegen verstoße. Der Grad der Überschreitung könne ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein. Einem Fahrzeugführer könne die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen geblieben sein, wenn er, wie hier, die zulässige Höchstgeschwindigkeit trotz Beschilderung um mehr als 40 % überschreite, zumal wenn er ein anderes Fahrzeug überhole.

Dies allein genüge, weitere Feststellungen müsse der Tatrichter nicht treffen (ebenso OLG Koblenz, Beschl. v. 11.02.1999 – 2 Ss 4/99).

Die Konsequenz

Jeder Autofahrer, zudem der Vorbelastete, hat sich an Geschwindigkeitsregeln zu halten. Kommt er dennoch in die Lage, dass ihm wegen Geschwindigkeitsverstoßes eine hohe Geldbuße oder gar ein  Fahrverbot droht, kommt es entscheidend darauf an, durch einen Fachmann und ggf. mit gutachterlicher Hilfe die Richtigkeit der Messung zu bestreiten. Die Kosten hierfür hat der Rechtsschutzversicherer zu tragen.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass diese bei gerichtlich festgestelltem Vorsatz nicht eintrittspflichtig ist.

Es steht zu befürchten, dass der zuständige Richter künftig gerne von der durch das OLG Hamm aufgezeigten Lösung Gebrauch machen oder zumindest androhen wird, auf Vorsatz zu entscheiden, wenn der Betroffene seinen Einspruch nicht zurücknehme. In einem solchen Fall sollte der Betroffene durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht vertreten sein.

 

 

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Verkehrsrecht: Ist der Punktehandel strafbar?

Freitag, 3. Juni 2016 11:22

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Werner M. traf die Post aus der Bußgeldstelle hart: der Berufskraftfahrer hatte eine Rotlichtampel übersehen und soll nun 200 € zahlen. Das zusätzlich verhängte Fahrverbot von einem Monat ist schon kaum durch Urlaub „abzubummeln“. Das Schlimmste aber ist: mit den 2 Punkten im Fahrerlaubnisregister wächst sein „Konto“ dort auf 8 Punkte an. „Qualifizierten Rotlichtverstoß“ nennt das der Jurist. Damit ist der Führerschein weg. Und der Job gleich mit.

Was tun? Erst mal den Fachmann fragen.

Der gibt zunächst eine kleine „Entwarnung“: der Rotlichtverstoß soll ausweislich des Bußgeldbescheides durch Zeugnis des POM XY nachgewiesen werden. Die durch den Anwalt vorzunehmende Akteneinsicht bringt Gewissheit: der Polizeibeamte hat den Verstoß mit eigenen Augen beobachtet, es gibt keine Aufzeichnung. Er gab zu Protokoll, dass er aus der Fahrzeuglänge, dessen geschätzter Geschwindigkeit und der zurückgelegten Wegstrecke seit dem Umspringen der Ampel auf „Rot“ ermittel habe, dass es mehr als eine Sekunde gewesen sei. Nun ja. Das Auge des Gesetzes ist sicherlich wachsam, neigt aber ebenso zu Fehlern wie jeder andere Mensch auch. Das OLG Köln (Beschl. v. 20.03.2012 – III-1 RBs 65/12) fand, dass eine solche Beweisführung mit zu vielen Unsicherheiten behaftet sei und sprach den Betroffenen frei. Das Amtsgericht zuvor hatte, wie so oft, die Berechnung des Polizisten durchgewunken, ohne sich mit dessen Schätzungen auseinanderzusetzen. Auch andere Gerichte (OLG Hamm, Beschl. v. 01.09.2009 – 2 Ss OWi 550/09) haben festgestellt, dass „eine rein gefühlsmäßige Zeitschätzung zufällig anwesender Zeugen“ zwar nicht von vorn herein unbrauchbar, aber jedenfalls mit Vorsicht zu genießen sei. Einzurichten hat sich der Mandant aber darauf, dass das Amtsgericht aus dem „qualifizierten“ Rotlichtverstoß jedenfalls einen „einfachen“ macht. Das würde bedeuten: 90 €, kein Fahrverbot, nur ein Punkt.

Also alles in Butter?

Der Mandant druckst herum. Er habe da noch eine Sache liegen. Geschwindigkeitsverstoß. Auch ein Punkt. Bußgeldbescheid liege seit vier Wochen vor. Einspruch habe er keinen gemacht, da sei ja „nichts zu machen“.

Er habe im Internet von Angeboten gelesen, dass ein Strohmann zugebe, die Tat begangen zu haben und seine Punkte „kaufe“. Er will nun wissen, ob er sich damit strafbar mache, obwohl der Händler auf seiner Webseite versichere, dies sei nicht strafbar.

Das Thema „Punktehandel“ ist trotz massiver Versuche durch die Strafverfolgungsbehörden lebendiger denn je. Zunächst tauchten solche „unmoralischen Angebote“ vor etwa zehn Jahren bei Ebay auf. Ebay entfernte diese schnell, die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Cottbus ermittelte. Indes: zu Verurteilungen kam es ersichtlich nicht.

Der Punktehändler nimmt für seine Dienste ab 250 €. Je nach Verstoß können daraus mehr als 1.000,00 € werden. Aus der Werbung eines Punktehändlers: „Die Geschwindigkeitsüberwachung an einer stark befahrenen Straße gehört zum Polizeialltag. Die Radarkamera fotografiert Autos, die zu schnell fahren. Anschließend wird nicht der Täter gesucht, sondern nur jemand, der bereit ist, die Schuld auf sich zu nehmen. „Geschwindigkeitsüberschreitungen sind ein Massendelikt. Wir haben in der Bearbeitung ein automatisiertes Verfahren. Aus diesem Grund kann es immer möglich sein, dass jemand anderes für diese Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeschoben wird“, gibt Ralf Bölck von der Polizei in Flensburg zu.“

 

Billiger ist vielleicht die nächste Verwandtschaft.

Aber ist das denn „legal“?

Zunächst könnte eine mittelbare Falschbeurkundung vorliegen, § 271 StGB. Dann müsste der Mandant, der sich auf den Handel einlässt, bewirkt haben, dass rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend in einem öffentlichen Register gespeichert werden. Das Fahrerlaubnisregister ist aber kein „öffentliches“ Register, denn Auskunft erhält dort nicht jeder. Dies entfällt also.

Also weiter: liegt eine Strafvereitelung i.S.d. § 258 StGB vor? Nein: Wie der Name schon sagt, vereitelt weder der Betroffene noch der Strohmann die „Strafe“ des anderen, sondern letzterer allenfalls eine Ordnungswidrigkeit. Also scheidet auch dies aus.

Aber was ist mit einer falschen Verdächtigung, § 164 Abs. 1 StGB? Dann müsste der Mandant den Strohmann öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat bezichtigt haben. „Tat“ meint auch hier eine Straftat, so dass auch dies ausscheidet. Beim Strohmann scheiterts schon daran, dass dieser nicht „einen anderen“ verdächtigt.

Letzte Prüfung: § 164 Abs. 2 StGB, mehr fällt mir an Strafnormen nicht ein: „ebenso wird bestraft“, wer öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren gegen ihn herbeizuführen. Das tut der Mandant tatsächlich, wenn er den Anhörungsbogen selber ausfüllt. In diesem, und NUR in diesem, Fall ist er strafbar. Gibt er den Anhörungsbogen, wie immer beim Punktehändler, dem Strohmann zum Selberausfüllen, entfällt die Strafbarkeit.

Damit ist der Punktehandel nach meiner Meinung nicht strafbar, wenn der Betroffene den Anhörungsbogen nicht selber ausfüllt.

Er sollte dieser Versuchung dennoch widerstehen: zum einen ist es unmoralisch, zum anderen extrem peinlich, wenn sich im Gerichtssaal herausstellt, dass der Strohmann es gar nicht gewesen sein kann oder auf andere Weise die Wahrheit herauskommt. Der Bußgeldrichter wird ein solches Manöver wohl mit einer empfindlichen Erhöhung mindestens der Geldbuße ahnden.

Deshalb klarer Rat von mir: Finger weg!

Ob dem Mandanten auch in der anderen Bußgeldsache trotz Fristversäumnis noch geholfen werden kann? Schon möglich, aber zu viel will ich hier nicht verraten 😉

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Strafrecht: Grenzen des Notwehrrechts. Der Neuenrade-Fall.

Donnerstag, 28. April 2016 14:41

Notwehr? Notwehr!

Über Reichweite und Grenzen eines umstrittenen Rechtfertigungsgrundes

Ein Hauseigentümer in der sauerländischen Kleinstadt Neuenrade erwischt nachts einen 18-jährigen Einbrecher und schießt ihm mit einem Revolver in den Kopf. Der Einbrecher stirbt später im Krankenhaus an seinen schweren Kopfverletzungen. Er habe aus Notwehr gehandelt, sagte der 63-Jährige Hauseigentümer in der Vernehmung: der Einbrecher sei mit einem Messer bewaffnet gewesen. Tatsächlich wurde ein Messer am Tatort gefunden. Die Staatsanwaltschaft teilt mit, der 18jährige sei im September 2015 aus Albanien nach Deutschland gekommen und zuletzt in einer Flüchtlingsunterkunft in Dortmund registriert gewesen.

Ob es sich tatsächlich um Notwehr gehandelt hat, muss jetzt die zuständige Staatsanwaltschaft klären.

Die Diskussion tobt aber seit zwei Tagen durch die sozialen Netzwerke. „Hoffentlich merken sich andere Einbrecher dieses Ende“, soll lt. „Focus“ eine Anwohnerin gesagt haben und ruft damit all die Leute auf den Plan, die prinzipiell gegen Tötung sind und bei Beteiligung heranwachsender mit Migrationshintergrund erst recht.

Grund, sich dieses Instrument einmal näher anzusehen. § 32 StGB sagt folgendes:

§ 32 Notwehr

(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

„Nicht rechtswidrig“ heißt, dass zwar der Tatbestand einer Straftat, hier wohl der Tötung nach § 212 StGB, vorliegt, diese aber gerechtfertigt ist, weil der Tötende einen „gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff“ abgewehrt hat. Wer angegriffen wird, darf sich wehren. Recht muss dem Unrecht nicht weichen. So viel steht fest. Wie weit geht dies aber und wo sind die Grenzen?

Der erste populäre Irrtum über das Notwehrrecht: es muss nicht um Leib und Leben gehen, vielmehr ist jedes Rechtsgut notwehrfähig, auch das Eigentum, die sexuelle Selbstbestimmung und die Ehre. Ein Hauseigentümer darf sein Hab und Gut notfalls mit der Waffe verteidigen.

Der zweite populäre Irrtum: auch mit einer illegalen Waffe ist Notwehr möglich. Soweit eine Verletzungshandlung durch Notwehr gerechtfertigt ist, gilt dies auch für das Führen einer Schusswaffe, soweit dieses unmittelbar mit der Verletzungshandlung zusammenfällt (BGH vom 26.10.1990 – 2 StR 310/90). Ob diese legal im Schrank steht oder nicht, spielt für die Notwehr keine Rolle. Die von einem körperlich überlegenen Mann sexuell bedrängte Frau darf diesen notfalls auch mit dem Messer abwehren. Ob sie hierbei das Leben des Angreifers riskiert, ist unerheblich, solange dieses Verteidigungsmittel das mildeste ihr zur Verfügung stehende Mittel ist. Unter Umständen besteht die Gefahr eines Ermittlungsverfahrens wegen des Besitzes eines verbotenen Gegenstandes. An der Tatsache, dass die Verteidigung von Notwehr gedeckt war, ändert dies aber nichts. Im Gegenteil kommt eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in Betracht, wenn der Täter die illegale Waffe zu seinem Schutz angeschafft hat, weil der Angreifer schon vorher massiv gedroht hat (OLG Hamm v. 24.05.2000 – 3 Ss 44/00).

Was aber nun, wenn der Angegriffene gleich auf den Kopf zielt statt auf die Beine?

Der tödliche Einsatz einer Schusswaffe ist letztes Mittel, wenn ein weniger gefährlicher Einsatz, etwa das Vorzeigen der Waffe, ein Warnschuss oder ein Schuss in die Beine, nicht in Betracht kommen. Dies hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei im Zweifel die Einlassung des Notwehrtäters nicht zu widerlegen sein wird, dass er keine Zeit zum Überlegen hatte, sondern in einer Sekunde handeln musste.

Der dritte verbreitete Irrtum über das Notwehrrecht: der Angriff muss gegenwärtig sein, die Gefahr also „schon und noch“ bestehen. Schlägt der Angegriffene dem sich abwendenden Angreifer von hinten eine Flasche über den Kopf, wird er nicht (mehr) aus Notwehr gehandelt haben. In Betracht käme allenfalls ein Notwehrexzess nach § 33 StGB, wonach ein Täter nicht bestraft wird, der die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten hat.

Viertens: Notwehrprovokation ist unzulässig. Eine gezielte Beleidigung mit dem Ziel, dem anderen unter dem Deckmantel der Notwehr mal so richtig einen zu verbraten, ist grds. kein Fall der Notwehr. Hier gilt: der Angegriffene, der einen Angriff durch Beleidigung provoziert, hat dem Angriff zunächst auszuweichen und sich ggf. defensiv zu schützen. Aktive Gegenwehr ist erst dann zulässig, wenn all dies nichts hilft.

Ob der Hauseigentümer in unserem Neuenrader Fall gerechtfertigt war, wird sich zeigen. Es ist offen, ob es überhaupt zur Anklageerhebung kommt. Eines ist aber gewiß: zum Grundsatzstreit, ob sich ein Hauseigentümer auch gegen junge Eindringlinge mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln wehren darf, taugt er nicht.

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Vertragsrecht: der Widerrufsjoker bei Bankendarlehen zieht nur noch bis zum 21. Juni 2016

Freitag, 25. März 2016 18:13

(aus: Saalejournal v. 26.03.2016)

Stell einer noch die Macht der Banken in Frage: im Eiltempo hat der Bundes­tag beschlossen, dass das Widerrufs­recht für Millionen zwischen September 2002 und Juni 2010 geschlossener Immobilien­kredit­verträge mit fehler­hafter Widerrufs­belehrung bis zum Dienstag, 21. Juni 2016, 24.00 Uhr, ausgeübt werden muss. Am Mitt­woch, 22. Juni 2016, um 0.00 Uhr ist es erloschen.

Der Hintergrund

Damit korrigiert der Gesetzgeber ein Dilemma, in das die betroffenen Banken sich größtenteils selber gebracht haben: zwingendes Europarecht verpflichtete sie, zum 1. November 2002 ihre Kunden über ein bestehendes Widerrufsrecht zu belehren. Dieses sollte, grob vereinfacht, den Kreditnehmer zwei Wochen (bzw. später: 14 Tage) nach Abschluss des Kreditvertrages zum Widerruf berechtigen. Damit nichts schiefgehen konnte, stellte der Gesetzgeber gar eine „Muster-Widerrufsbelehrung“ zur Verfügung. Wer diese eins zu eins übernahm, konnte gar nichts falsch machen. So die Theorie.

Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“, stand drin.

Was heißt das jetzt? Das Landgericht Halle (Urt. v. 13.05.2005 – 1 S 28/05) und später der BGH belehrte den Gesetzgeber (!), dies sei gerade nicht die geforderte transparente Lösung und erklärte gleich die gesamte Verordnung für nichtig. Es folgten weitere drei teils erheblich veränderte Muster-Widerrufsbelehrungen, die ersichtlich von der Intention getragen waren, jeden Fall abzudecken, aber in sich auch nicht transparent waren und die Probleme eher vergrößerten. Der BGH sprang bei und entschied, dass der Verwender der jeweils gültigen gesetzlichen Muster-Widerrufsbelehrung Vertrauensschutz genieße, wenn er diese genauso wie vorgesehen verwende. Das bedeutete aber auch: änderte er nur ein einziges Wort, war er nicht mehr geschützt.

Und so kam, wie es kommen musste: Das ARD-Wirtschaftsmagazin PlusMinus berichtete am 16. Januar 2013, dass bei vielen Verbraucherdarlehen die Widerrufsbelehrungen fehlerhaft seien und hohe Entschädigungsforderungen der Kunden bei vorzeitig beendeten Immobilienkrediten drohten. Die Banken blockten die Anfragen ihrer Kunden ab und erste Urteile von Landgerichten im Jahr 2014 befanden, dass einzelne Klauseln verschiedener Banken rechtswidrig waren.

Der „Widerrufsjoker“ war geboren. Weil in der Zwischenzeit die Zinsen stark gesunken sind, können Kreditnehmer auf diese Weise viele tausend Euro sparen. Rund 80 Prozent der von Oktober 2002 an geschlossenen Immobilienkreditverträge haben Schätzungen der Verbraucherschützer zufolge fehlerhafte Widerrufsbelehrungen.

Wann greift der „Widerrufsjoker“?

Gemäß § 355 Absatz 2 BGB beginnt die Widerrufsfrist mit dem Erhalt einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung in Textform. Eine Widerrufsbelehrung muss danach eine deutliche Belehrung über die wesentlichen Rechte und Pflichten enthalten. Sie muss insbesondere darüber informieren, dass die entsprechende Willenserklärung zum Abschluss des Vertrages innerhalb einer Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 BGB n.F.) bzw. 2 Wochen (§ 355 BGB a.F.) widerrufen werden kann. Ferner muss der Verbraucher ausdrücklich darüber belehrt werden, dass schon die rechtzeitige Absendung des Widerrufs die vorgegebene Frist wahrt. Entscheidend ist daher, dass die Bank den Kunden deutlich über den Beginn der Frist belehrt:

  • Welches Ereignis genau setzt die Frist in Gang?
  • Kann der Verbraucher eigenständig die Frist ermitteln?
  • Ist die Bestimmung enthalten, dass der Verbraucher vor Lauf der Widerrufsfrist im Besitz einer Urkunde ist, die seine eigene Vertragserklärung enthält?

Erläutert die Belehrung diese Voraussetzungen nicht transparent, ist sie unwirksam mit der Folge, dass die Widerrufsfrist nicht läuft. Der Kunde kann den Vertrag noch widerrufen, selbst wenn er bereits abgewickelt ist, sei es dass die Darlehenssumme schon vollständig gezahlt hat, sei es dass die Bank infolge Zahlungsverzugs selber gekündigt hat.

Beispiele rechtswidriger Belehrungen

Der „Klassiker“ unter den rechtswidrigen Widerrufsbelehrungen ist nach wie vor:

Die Frist beginnt frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung“.

Eine andere oft in dieser oder ähnlicher Variante anzutreffene Belehrung lautet:

„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
–   eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung,
–   die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrages
zur Verfügung gestellt wurden, aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses.“

manchmal garniert mit einer Fußnote, dass bei Fernabsatzgeschäften eine andere Frist gelte. Beides ist rechtswidrig, wie der BGH 2009 unmißverständlich ausgeführt hat, denn der Kunde könnte meinen, die  Widerrufsfrist  beginne  bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots (BGH, Urt. v. 10.03.2009 – XI ZR 33/08). Auch verwirren mehrere Belehrungen nebeneinader. Dem haben sich mittlerweile viele Instanzgerichte für ähnliche Klauseln angeschlossen.

Steht in Ihrer Belehrung also, der Lauf der Frist beginne „einen Tag“ nach einem näher bezeichneten Ereignis, sollten Sie dies überprüfen lassen!

Die Folgen eines Widerrufs

Widerruft der Verbraucher seine Vertragserklärung, ist der Vertrag rückabzuwickeln.

Besonders interessant für durch die Bank bereits gekündigte und zur Vollstreckung notierte Verträge: dieser entfällt mir Erklärung des Widerrufs. Eine Vollstreckung aus der notariellen Urkunde ist nicht mehr zulässig.

Der Verbraucher ist dann verpflichtet, sofort das gesamte Darlehen zurückzuzahlen, plus die für die Kapitalüberlassung marktüblichen Zinsen.

Die Bank ist im Gegenzug verpflichtet, die bereits gezahlten Leistungen zu erstatten sowie die gezogenen Nutzungen herauszugeben. In der Praxis wird die Differenz beider Anspruchssummen ausgeglichen.

Beispiel:

Hat der Kunde im Januar 2008 einen Immobilienkredit von 190.000,00 Euro zu einem Zinssatz von 5,2 % für 10 Jahre aufgenommen und monatlich 1.200,00 Euro getilgt, betrüge die Restschuld am Ende der Zinsbindung im Jahr 2018 etwa 131.000,00 Euro. Bei einem Widerruf im Januar 2015 nebst Neufinanzierung zu 1,9 % betrüge die Restschuld im Jahr 2018 nur ca. 105.000,00 Euro. Der Kunde spart hier bereits rund 26.0000,00 Euro. Hinzutritt die von der Bank zu zahlende Entschädigung für das gezahlte Kapital, mit dem sie in den 7 Jahren ja gearbeitet hat und für das, rechnet die Bank keinen geringeren Gewinn vor, mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu beziffern ist. Nicht zu vergessen, dass sich der Zinsvorteil ja fortsetzt.

Taktik

Es versteht sich zunächst von selber, dass bereits ein verbindliches Angebot einer Anschlussfinanzierung vorliegen muss, ehe der Widerrufsjoker gezogen wird.

Generell empfiehlt sich, zunächst den Widerruf nicht zu erklären, sondern sein Kreditinstitut auf die Widerruflichkeit hinzuweisen. Ggf. läßt sich mit dieser vereinbaren, dass zumindest für die Zukunft ein derzeit marktüblicher Zinssatz gilt und der Vertrag bestehen bleibt. Gerade bei eindeutig rechtswidrigen Belehrungen haben Banken zuletzt öfter Vergleichsbereitschaft gezeigt.

Vergessen Sie aber nicht, dass dieses Thema nach dem 21. Juni 2016 erledigt sein wird, wenn Sie nicht rechtzeitig reagieren. Also im Zweifel: ab zum Anwalt. Die Kosten einer Überprüfung Ihres Vertrages sind geringer als Sie denken.

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Verkehrsrecht: MPU ab 1,1 ‰?

Dienstag, 1. März 2016 14:23

Oscars Tipps zum Verkehrsrecht (vom 26.02.2016)

 

Frage:

Ich bin alkoholisiert Auto gefahren und von der Polizei angehalten worden. Jetzt erhalte ich eine Aufforderung, bei der Polizei vorzusprechen. Mit wird vorgeworfen, 1,12 ‰ Alkohol im Blut gehabt zu haben. Ich befürchte, meine Fahrerlaubnis zu verlieren. Was soll ich tun?

Antwort:

Sie sollen sicherlich zur „Beschuldigtenvernehmung“ erscheinen. Sie sind nicht verpflichtet, dort zu erscheinen und rate ich Ihnen zunächst dringend ab, dort unvorbereitet aufzulaufen, ohne dass Sie genau wissen, was Ihnen vorgeworfen wird. Suchen Sie einen Fachanwalt für Verkehrsrecht auf und lassen Sie diesen zunächst Akteneinsicht nehmen.

Ihnen droht neben einer empfindlichen Geldstrafe auch der Entzug Ihrer Fahrerlaubnis und schlimmstenfalls die Aufforderung, zur sog. medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu erscheinen. Dieser ist zu Recht gefürchtet: im Jahr 2014 mussten bundesweit mehr als 40.000 Verkehrssünder hin. Die wenigsten sind beim ersten Mal erfolgreich und laufen dann oft viele Jahre ihrer Fahrerlaubnis hinterher.

In Ihrem Fall ergibt sich zudem noch ein rechtliches Problem: Denn während nach dem klaren Gesetzeswortlaut der sog. „Idiotentest“ erst ab einer Alkoholisierung von 1,6 ‰ anzuordnen ist, ordnen immer mehr Fahrerlaubnisbehörden diesen schon ab einer erstmaligen Alkoholisierung vom mehr als 1,1 ‰ an und berufen sich hierbei auf neue Urteile von Verwaltungsgerichten in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und NW (VGH Mannheim, Beschl. v. 15.01.2014 – 10 S 1748/13; VGH München, 17.11.2015 – 11 BV 14.2738; OVG Münster, Beschl. v. 21.01.2015 – 16 B 1374/14; VG Berlin, Beschl. v. 22.12.2014 – 4 L 298.14 ).

Ich halte dies für falsch, denn die vom Verordnungsgeber gerade vorgesehene Grenze von 1,6 ‰ liefe sonst leer. Aber zumindest in den Bundesländern, deren Gerichte dies so entschieden haben, ist dies derzeit der Stand der Dinge.

Er heißt nicht mehr und nicht weniger als dies:

wer einmal einen über den Durst trinkt, riskiert für lange Zeit den Verlust seines Führerscheins.

In Thüringen verfährt bereits der Wartburgkreis so. Wer dort wohnt und mit diesem Problem konfrontiert wird, dem kann derzeit nur zum Umzug geraten werden, um zumindest seinen Führerschein ohne „Idiotentest“ wiederzuerhalten, denn für Thüringen liegen noch keine Urteile hierzu vor. Ein erfahrener Fachanwalt wird aber ggf. weitere Anknüpfungspunkte für die Verteidigung entdecken und kann vielleicht sogar die Einstellung des Verfahrens erreichen.

 

Oscar

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Verkehrsrecht: Deubner-Verlag begrüßt RA Sitter als Autor der „Verkehrssachen“

Sonntag, 14. Februar 2016 13:35

RA Christian Sitter ist ab sofort auch im Autorenteam des Standardwerkes „Verkehrssachen – Mandate zügig und erfolgreich bearbeiten“ dabei, das Koll. Dr. Schröder seit nunmehr über 20 Jahren im Deubner-Verlag erfolgreich herausgibt.

Sitter ist seit fast 10 Jahren Fachanwalt für Verkehrsrecht und bereits Herausgeber und Autor des Standardwerkes „Straßenverkehrsstrafrecht“ im selben Verlag. Zuletzt hat er im Deubner-Verlag zusammen mit RA Christian Solmecke die „Abmahnungen im Internet“ herausgegeben. Weiter gehört er dem Autorenteam in Riedel (Hrsg.), Insolvenzrecht, und „Erfolgreiche Gebührenabrechnung nach dem RVG“ an.

RA Sitter tritt an die Stelle des leider verstorbenen Koll. Manfred Hering. Für die aktuelle Neuauflage hat er u.a. das Kapitel zur gesetzlichen Unfallversicherung völlig neu bearbeitet.

Was hat die „gUV“ mit Verkehrsrecht zu tun?

Erleidet ein Arbeitnehmer bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin oder von dort einen Verkehrsunfall, tritt in aller Regel die gesetzliche Unfallversicherung ein. Der Verletzte erhält durch sie die Chance auf eine Entschädigung und braucht nicht seine unfallbedingten Schadenersatzansprüche langwierig und oft ohne Erfolg gegen den Schädiger geltend zu machen.

Was aber die wenigsten wissen und oft auch Rechtsanwälte nicht genügend bedenken: Ist der Verkehrsunfall Arbeitsunfall und durch den Unternehmer oder einen Kollegen des Betriebs, dem der Verletzte angehört, fahrlässig verursacht, sind nach den Regeln der §§ 104ff SGB VII zivilrechtliche Schadenersatzansprüche ausgeschlossen, selbst bei grober Fahrlässigkeit. Ist der Mandant etwa bei einer Dienstfahrt durch einen groben Fehler des fahrenden Arbeitskollegen schwer verletzt worden, erhält er kein Schmerzensgeld.

Die Einzelheiten sind aber wie so oft sehr kompliziert und bedürfen der sorgfältigen Aufarbeitung. Ist der Unfall außerhalb des normalen „Dienstwegs“ oder auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Nachhauseweg eingetreten, kann es schon wieder ganz anders aussehen. Ich empfehle daher, bei jedem Verkehrsunfall einen Fachanwalt für Verkehrsrecht aufzusuchen, um nicht auf Ansprüche leichtfertig zu verzichten.

 

Verkehrssachen

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IT-Recht: Muss Webdesigner Urheberrechte prüfen?

Mittwoch, 14. Oktober 2015 17:01

Ein Urteil des AG Oldenburg (Urt. v. 17.04.2015 – 8 C 8028/15) schreckt im Moment die Webdesigner der Republik auf: dieses hat entschieden, dass der Webdesigner, der Materialen von seinem Auftraggeber, v.a. Fotografien, erhalten hat, Urheberrechte Dritter daran zu prüfen habe. Komme er dieser Prüfungspflicht nicht nach, hafte er neben dem Auftraggeber auf Schadensersatz.

Der Fall

Der verklagte Webdesigner hatte für die Betreibergesellschaft einer Seniorenresidenz eine Webseite erstellt. Diese schickte ihm einen Kartenausschnitt als Bild, das er unter der Rubrik „Anfahrt“ einfügen sollte, was er ungeprüft tat. Es kam, wie es kommen mußte: die Betreiberin der Seniorenresidenz erhielt eine Abmahnung von der Urheberin, einer Kartographie-Firma, die Schadenersatz verlangte. Die abgemahnte Betreibergesellschaft zahlte und verklagte sodann den Webdesigner auf Erstattung des gezahlten Betrages.

Das Urteil

Webdesigner und Auftraggeber haften als Gesamtschuldner

Das Amtsgericht Oldenburg entschied, der Webdesigner habe der Klägerin die Hälfte des gezahlten Schadenersatzes zu erstatten. Beide, sowohl die Klägerin als auch der Beklagte, hätten hier Urheberrechte der Kartenfirma  verletzt und seien dieser als als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet. Nachdem die Klägerin vollständig gezahlt hatte, könne sie vom Beklagten gemäß § 426 BGB die Hälfte im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs erstattet verlangen.

Nicht strittig kann sein, dass der Kartenausschnitt ein urheberrechtlich geschütztes Werk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG darstellt. Dies folgt der gängigen Rechtsprechung (s. nur KG Berlin, Beschl. v. 19.12.2003 – 5 W 367/03OLG Hamburg, Beschl. v. 10.03.2004 – 5 W 3/04). Die Klägerin hat auch fahrlässig dieses Urheberrecht verletzt, denn sie muss selber prüfen, ob sie dieses verwenden darf oder fremde Urheberrechte berührt sind. Keineswegs kann sie sich mit dem Hinweis entlasten, der Beklagte habe dies zu tun.

Verletzung einer „wesentlichen Vertragspflicht“

Aber, und das ist neu: der beklagte Webdesigner haftet ebenfalls für diese Urheberrechtsverletzung. Er selber schulde im Rahmen eines Werkvertrages nach § 631 BGB ein mangelfreies Werk. Mangelfrei sei es aber nur, wenn es keine Urheberrechtsverletzungen beinhalte.  Somit habe der Webdesigner als „wesentliche Vertragspflicht“ bestehende Urheberrechte am überlassenen Fotomaterial zu prüfen und könne sich nicht darauf verlassen, seine Auftraggeberin habe dies schon getan. Er habe nämlich auf den ersten Blick erkennen müssen, dass die Karte von einem Dritten stamme.

Kein Haftungsausschluß durch AGB

Noch wichtig: Der Webdesigner könne sich nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) von der Haftung wegen Verletzung dieser Hinweispflicht freizeichnen, weil die Hinweispflicht eben eine „wesentliche Vertragspflicht“ sei, die wegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht in AGB abbedungen werden könne.

Kritik

M.E. überspannt das AG Oldenburg die Pflichten des Webdesigners arg: dieser kann keine „wesentliche Vertragspflicht“ verletzen, wenn die Verletzung gerade auf dem „Mitbringsel“ des Auftraggebers beruht. Der Webdesigner schuldet eine Webseite, die funktioniert, den angesprochenen Personenkreis anspricht und ggf. auch leicht über die einschlägigen Suchmaschinen gefunden werden kann. Die juristische Beratung zur Zulässigkeit von Inhalten schuldet er gewiß nicht, dies sollte dem hierfür zuständigen fachkundigen Personenkreis überlassen bleiben, auch wenn Auftraggeber die sich ergebenden Extrakosten gern vermeiden wollen. Denn dies würde zu einer ausufernden Dauerhaftung führen, die sich auf jeden einzelnen gesetzten Link, eine ständig wechselnden rechtlichen Anforderungen unterliegende Gestaltung von Impressum, Datenschutzerklärung etc und am Ende gar die Überprüfung auf die Verwendung markenrechtlich geschützter Begriffe ausstreckt.

Auch liegt keine Gesamtschuld vor, vielmehr ist der Fall vergleichbar mit der sog. „Verletzerkette“, die der BGH im Fall „Tripp-Trapp-Stuhl“angesprochen hat, in der mehrere Lieferanten innerhalb einer Lieferkette nacheinander urheberrechtliche Nutzungsrechte verletzt hatten. Hier liegt infolge der Nachrangigkeit gerade keine Gesamtschuld vor (BGH, Urt. v. 14.05.2009 – I ZR 98/06), weshalb auch im Innenverhältnis kein Gesamtschuldnerausgleich in Betracht kommt.

Hinweis für die Praxis

Dieser Fall, dass Webdesigner gerade Fotographien des Auftraggebers auf der Webseite verwendet, kommt häufig vor. Muss der Webdesigner jetzt zu jedem Foto einen expliziten Hinweis erteilen, dass es zu urheberrechtlichen Verwicklungen kommen könnte? Dies dürfte seinem Geschäft mittelfristig den Garaus machen.

Das Urteil des AG Oldenburg ist noch nicht rechtskräftig. Mit diesem muss der Webdesigner zwar zunächst leben. Doch gibt es wie gesehen gute Argumente, die gegen seine Hinweispflicht und Haftung im Unterlassungsfall sprechen. Ein Webdesigner sollte jedoch die typischen Stolperfallen kennen und bei seinen Auftraggebern explizit ansprechen. Hier zahlt sich die Zusammenarbeit mit einem spezialisierten Rechtsanwalt am Ende immer aus.

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